Eine Mittelgewichts-Ehe
zum König des »nouveau roman« gemacht, nehme ich an.
Über mein Andreas-Hofer-Buch äußerte sich Edith klug und, nun ja - wohlwollend. Ich sagte ihr, daß es mich bisweilen ärgerte, daß mein Werk so unbeachtet blieb. Selbst die Universität versäumte es, wenn sie Veröffentlichungen des Lehrkörpers registrierte, meine Bücher zu registrieren. Da standen Helmbarts Prosa und ein Haufen der üblichen gelehrten Artikel - zum Beispiel etwas über »die Symbolik der Möbel bei Henry James«. Ich hatte immer gefunden, daß zwischen diesen Artikeln und Helmbarts kümmerlichen Romanen größere Ähnlichkeit bestand, als die jeweiligen Autoren zugeben würden.
Edith sagte, sie bewundere die Energie von jemandem wie mir - praktisch nicht anerkannt, aber produktiv.
»Ja«, sagte Severin plötzlich; ich hatte nicht gewußt, daß er zuhörte. »Sie haben wirklich einen Mordsausstoß.« Darüber wunderte ich mich, und er sagte: »Es ist sehr schwer, Ihre Bücher zu finden, wissen Sie. Sie sind alle vergriffen.« Traurigerweise stimmte das.
»Wie fanden Sie sie?« fragte ich ihn. Ich hatte außer meiner Mutter und meinem Verleger noch nie jemanden getroffen, der alle meine Bücher gelesen hatte. (Ich hatte Utsch im Verdacht, was Schlüsse anging, die gleiche Angewohnheit wie mein Vater zu haben.)
»Die Bibliothek hier kauft alles«, sagte Severin. »Man muß bloß wissen, wie man es ausgräbt.« Und plötzlich stellte ich mir meine Bücher als irgendeine archäologische Entdeckung vor. Severin Winter vermittelte mir das Gefühl, daß er das Kunststück, sie zu finden, für bedeutender hielt als das, sie zu schreiben. Damals sagte er zu mir nichts weiter über sie, aber später erfuhr ich, daß er Bücher gern nach RingerGewichtsklassen kategorisierte. Zum Beispiel: »Das ist ein recht hübscher 61-Kilo-Roman.«
Am nächsten Tag kam er auf seinem Fahrrad bei uns zu Hause vorbei. Utsch war mit den Kindern weg, und obwohl ich argwöhnte, daß er vielleicht gekommen war, um sie zu besuchen, dachte ich, da er mich allein vorfand, daß er vielleicht meine Romane erwähnen würde. Das tat er nicht. Er hatte mir ein paar von Ediths Geschichten mitgebracht. »Sie freut sich wirklich riesig darauf, mit Ihnen zu arbeiten«, sagte er mir. »Mit Helmbart hat's nicht geklappt.«
»Ja, das hat sie mir gesagt«, sagte ich. »Ich bin wirklich sehr froh, hier noch eine Schriftstellerin zu kennen. Sie ist gewiß eine Erholung von den Studenten und Kollegen.«
»Sie nimmt ihre Arbeit sehr ernst«, sagte Severin. »Helmbart hat es ihr schwergemacht. Er hat ihr gesagt, er habe das Gefühl, er könne dem, was mit ihr nicht stimme, näherkommen, wenn sie mit ihm schliefe.« Das hatte mir Edith nicht gesagt. »Ich glaube, er dachte, sie wäre eben so eine Dozentenfrau, die darauf aus ist, sich von einem neuen Mentor flachlegen zu lassen«, sagte Severin.
Ich ahnte, aus welchen Gründen er mir das sagte, aber ich lachte. »Ich dachte gleich«, sagte ich, »daß sie am Schreiben interessiert ist.« Auch er lachte.
Er fuhr bei gutem Wetter jeden Tag auf diesem Zehngang-Fahrrad, strampelte in einem Tank-topartigen Ringeranzug - das, was sie als Trikot bezeichnen - meilenweit hin und her. Er schwitzte; er war gebräunt. »Als Helmbart so weit war, daß er Edith nicht sehen konnte, ohne sie zu zwicken, hat sie es aufgegeben«, sagte er. Wieder lachten wir.
»Das war ein schöner Abend, den wir bei Ihnen verbracht haben«, sagte ich ihm. »Sie sind ein ausgezeichneter Koch.«
»Na ja, ich esse schrecklich gern«, sagte er. »Und ich habe es genossen, mich mit Ihrer Frau zu unterhalten.«
»Sie haben vieles gemeinsam«, sagte ich ihm, aber er blickte verwirrt.
»Nein, nicht viel«, sagte er ernsthaft, aber dann lachte er wieder - nervös, fand ich - und stieg in den Rücktritt seines Fahrrades, wodurch sich in seiner komplizierten Gangschaltung etwas verklemmte, so daß er absteigen mußte, um daran herumzubosseln. Wir kamen beide überein, einander sehr bald wiederzusehen.
Erst später erfuhr ich den Rest der Geschichte von Helmbarts Zwickerei. Von Anfang an hatte Edith Severin von den Annäherungsversuchen des Mannes erzählt. »Das nächste Mal trittst du ihn in die Eier«, hatte Severin ihr gesagt. Aber das war wohl kaum Ediths Stil. Sie dachte weiterhin, sie müsse fähig sein, von Helmbart etwas Wertvolles zu bekommen. Sie fragte Severin, ob er in ihrem Namen mit Helmbart sprechen könnte, aber er sagte ihr, daß das diesen Idioten so
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