Eine Mittelgewichts-Ehe
Ringerhalle liegen, und auf denen wärmten sich die Ringer auf.
Wenn es Zeit war, führte Severin sie aus der Ringerhalle und um die knirschende Holzbahn; er drehte im Gehen die Lichter aus, so daß der große, düstere Käfig zunehmend dunkler wurde, wie sie ihn verließen. (Winter legte alle seine Heimwettkämpfe auf den Abend.) Er brachte seine Ringer durch den langen Verbindungstunnel in die neue Sporthalle. Auf jeder Seite des klammen Tunnels blinzelten den Ringern helle Lichtschlitze von den Squash- und Handballräumen zu, wo, wie Gefangene in seltsamen Zellen, ein paar vereinzelte Athleten diese einsamen Spiele spielten. Alles hallte im Tunnel wider. Winter machte im Gehen die Lichter aus. Gelegentlich blaffte ein Squashspieler: »He, was soll der Scheiß!?« und öffnete seine Zelle. Der Effekt der Ringer im Gänsemarsch, feierlich in ihren Mänteln und Kapuzen (Winters Wunsch), ließ einen verstummen. Schüchtern kamen die Squash- und Handballspieler oft aus ihren Zellen heraus und folgten der Prozession. Es war ein Ritus. Die Ringer hatten den denkbar längsten, stillsten und dunkelsten Gang; sie hatten eine komische Art, sich zu sammeln. Wenn sie zu dem Licht am Ende des Tunnels kamen, blieb Winter immer an der Tür stehen. Er sah sie alle von oben bis unten an, als könnte er in der Dunkelheit sehen. »Wie geht's?« fragte er sie auf deutsch; im Tunnel dröhnte seine Stimme. Die Squash- und Handballspieler hielten sich im Schatten, wollten das Ritual nicht stören. »Wie geht's?« blaffte Severin Winter. Sie waren alle seine Deutschstudenten, verstehen Sie.
Und unisono bellten die Ringer in jenem Tunnel: »Gut!« Dann riß Winter die Tür auf, und wie Maulwürfe, die ans Tageslicht kommen, folgten seine Ringer ihm blind in die neue Sporthalle und das erschreckende Licht und die brüllende Menge und hinaus auf die leuchtende, hochrote und weiße Ringermatte. Für die Zuschauer sahen sie immer so aus, als hätten sie eine Gehirnwäsche in einem Kerker hinter sich und seien mit einem grausamen Auftrag in die wirkliche Welt hinausgeschickt worden. Genauso war es.
Die Wiener sind alte Hasen in der Psychologie. Severin bekam nicht das beste Material im Lande und gab freimütig zu, daß er auch nicht der beste Trainer war. Die Universität war nicht das, was man eine Ringermacht nennen würde, aber zu Hause verloren Winters Mannschaften nie einen Wettkampf. Natürlich setzte er die Termine geschickt an.
Die Lockung des altehrwürdig-östlichen Prestiges der Universität trug mehr dazu bei, Winter die wenigen guten Ringer, die er hatte, zu verschaffen, als alles, was er in puncto Anwerbung auf die Beine stellen konnte. Er tat seine Pflicht und sorgte dafür, daß ein paar Trainer an großen High-Schools in den ernst zu nehmenden Teilen des echten Ringerlandes sich an ihn erinnerten, aber obwohl ein paar Trainer seiner Generation sich seiner als eines ehemaligen Wettkämpfers erinnerten, war er bei den jüngeren Ringern, die sich nur an die Champions erinnerten, unbekannt. Und obwohl er ein paar gute Ringer bekam, fühlten die sich zu der Universität hingezogen, weil sie als Studenten geschmeichelt waren; wenn sie wirklich hätten ringen wollen, wären sie nicht nach New England gekommen. Kurzum, er bekam Sportler, aber keine Fanatiker. »Ich kriege nicht die mit dem richtigen Killerinstinkt«, beklagte sich Severin. »Ich kriege Kerle, die denken. Wenn man denkt, wird einem klar, daß man verlieren kann - und so ist es.«
Aber ich wies ihn darauf hin, daß der Effekt, den er mit seinem berühmten Tunnelgang erzielte, Ringer, die nicht dachten, wahrscheinlich gleichgültig ließ. »Warum, glaubst du, mache ich das?« fragte er mich. »Alle großen Ringer haben ihre eigenen Tunnel - lange, dunkle, leere Gänge durch ihre langen, dunklen, leeren Köpfe. Ich schaffe bloß eine kleine Illusion für meine Intellektuellen. Ich mache bloß den Plato.«
Er wählte sich kein leichtes Programm; er nährte seine Illusionen bloß bei den Heimwettkämpfen. Er ging mit seiner Mannschaft mindestens zweimal in der Saison auf Achse, und sie trugen drei bis vier Wettkämpfe mit den Big-Ten- und Big-Eight-Hochschulen aus. Dort verlor er natürlich immer, aber er verlor achtbar. Gewöhnlich gewann er ein bis zwei Gewichtsklassen, und nicht viele von seinen Ringern, die verloren, wurden geschultert. Diese Wettkampfklasse war notwendig, damit er zu Hause gewinnen konnte. In New England gab es keine andere Hochschule, die ihn
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