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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Hause sein würde, und dann gingen wir nach oben und achteten immer darauf, daß wir einander nicht noch liebten, wenn er zurückkam. Gewöhnlich schliefen wir; er klopfte einmal an die Schlafzimmertür, um uns zu wecken, und ich zog mich an und ging nach Hause zu Utsch.
    Aber in jener Nacht gingen wir beinahe sofort, nachdem Severin mit Utsch nach Hause gegangen war, ins Bett. Ich nehme an, wir empfanden vielleicht eine gewisse Angst, daß es enden würde. Als ich Utsch davon erzählte, sagte sie: »Versuch nicht, mir weiszumachen, es wäre nicht der Sex.«
    »Edith und ich haben gemeint, es sei nicht bloß der Sex«, sagte ich. »Zumindest nicht für uns.« Aber ich glaube, daß solche Unterscheidungen - wie Selbstmitleid und das Sterben für die Freiheit - für Utsch zweifelhaft waren. Sie war, besser als wir, dazu erzogen worden, den Unterschied zu erkennen zwischen dem, was man für jemand anderen zu tun bereit ist, und dem, was man für sich selbst tut.

4.
Kundschafterberichte: Severin
(Klasse bis 72 Kilo)
    Die neue Sporthalle enthielt ein Hallenhockeyfeld, drei Basketballfelder, ein Schwimmbecken, verschiedene Trainingsräume, Umkleideräume für Männer und Frauen und eine gräßliche Halle, in der Trophäen und Fotografien aller alten Helden ausgestellt werden. Von draußen hatte sie das für öffentliche Eislaufhallen und moderne Bibliotheken charakteristische grabmalartige Aussehen. Es gab ein ziemliches Gemurre bei der alten Garde, daß man den Bau zumindest dem alten Campus - Ziegelsteine und Efeu - hätte angleichen sollen, aber es war klar, daß Efeu nie dazu bewogen werden könnte, an all dem glatten Beton und Glas zu haften. Severin Winter liebte das Gebäude.
    Was von der alten Sporthalle übrig war, war ein weitläufiges, unterirdisches Labyrinth von Squash- und Handballfeldern und den alten Umkleideräumen, die jetzt von Gastmannschaften benutzt wurden - vielleicht um sie zu deprimieren. Dieses Labyrinth mit dem neuen Untergrund aus glänzenden Stahlspinden und sinnreichen Duschköpfen war durch einen langen Tunnel mit dem sogenannten alten Käfig verbunden.
    Der Käfig war ein ominöser, buckliger Kuppelbau aus Ziegelstein; er sah aus wie ein Krematorium für Athleten. Er war mit Efeu, so dick wie das Handgelenk eines Mädchens, bewachsen; das Dach war ein Bienenstock aus Glas, Oberlichtern so alt und trübe, daß sie ihr Glitzern eingebüßt hatten. Der riesige, kreisförmige Raum mit dem hartgestampften Aschenboden wurde für Hallenleichtathletik-Veranstaltungen benutzt; er roch wie ein Gewächshaus, außer daß Pflanzen nicht schwitzen. (»Alles schwitzt«, sagte Winter.) Um zu verhindern, daß Diskusse bei Wettkämpfen die Oberlichter zertrümmerten, ließ man über das ganze Innere der Kuppel Netze herab, wie einen durchsichtigen Schleier. Auch Hallentennis wurde dort gespielt.
    Um den inneren Rand des Käfigs verlief eine erhöhte Holzbahn, so daß Läufer auf zwei Ebenen operieren konnten; die unteren benutzten Spikes auf dem Aschenboden; auf der Holzbahn lief man mit Gummisohlen. Die Bahn war in den Kurven überhöht; sie setzte voraus, daß man mit einiger Geschwindigkeit lief; wenn man bloß drum herum ging, trug es einen aufs Geländer zu. Die Leute behaupteten, daß, wenn man auf dieser Bahn zu viele Runden lief, ein Bein länger würde als das andere. (»Nicht, wenn man gelegentlich die Richtung wechselt«, sagte Sie-wissen-schon-wer.)
    Wenn der Käfig belebt war, ging es sehr laut zu. Die Bahn donnerte und vibrierte; Startpistolen krachten für die Läufer auf dem Aschenboden unten; Wind und Schnee ließen die alten Oberlichter ächzen und knirschen. Der einzige moderne Zusatz zum Käfig war ein langer, rechteckiger, an einer Seite der Holzbahn oben im Sparrenwerk unter den Oberlichtern abgeteilter Raum; er war außerdem von langen Leuchtstoffröhren grell erleuchtet und hatte zwei tosende Heißluftgebläse und seinen eigenen Thermostat. Seine Wände waren mit hochroten Matten gepolstert, und er war von Wand zu Wand mit knallrot-weißen Ringermatten ausgelegt.
    Winter behauptete, daß die Ringerhalle aus »psychologischen Gründen« perfekt gelegen sei. Vor einem Wettkampf versammelte sich die Mannschaft in ihrem kleinen Flügel neben dem verlassenen Käfig und sah zu, wie die Hallenhelfer die Matten wegnahmen. Sie wurden zu einem der tollen Basketballfelder in der neuen Sporthalle getragen, ordentlich ausgelegt und zusammengeklebt. Es blieben immer ein paar Matten in der

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