Eine Mittelgewichts-Ehe
es uns weh tat.
Ich weiß noch, daß mir am nächsten Morgen alles weh tat, überall; ich konnte mich nicht mal rühren. Severin sagte: ›So fühlt man sich nach einem Wettkampf.‹ Ich merkte, daß ich gleich wieder zu lachen anfangen würde und wir es dann nochmal machen würden. Ich fühlte mich so wund, daß ich versuchte, es mir zu verbeißen, aber Severin sah das und wurde unwahrscheinlich zärtlich; er drang ganz langsam in mich ein, und wir machten es nochmal. Das war auch schön, aber es war vollkommen anders.«
Armer Helmbart, dachte ich. Er wußte gar nicht, womit er es zu tun hatte.
Also hatte Severin, was seine Frau anging, nicht den üblichen Verfolgungswahn, oder? Sie gab ihm keinen Grund dazu. Sie heiratete ihn und lebte acht Jahre mit ihm zusammen, ohne auch nur einen flüchtigen Seitensprung zu machen; sie war treu, und nur ausgemachte Idioten wie Helmbart erkannten das nicht, wenn sie sie kennenlernten. Severin Winter war zu eitel, um eifersüchtig zu sein. Er kam mir wie ein typischer Macho vor; aggressiv und egozentrisch, ging er nach seinen Maßstäben mit einem um. Aber weder Utsch noch Edith waren da ganz meiner Meinung. Utsch behauptete, er sei der einzige Mann, den sie je kennengelernt habe, der Frauen tatsächlich so behandelte, als seien sie den Männern gleichberechtigt; ich gebe zu, daß er zu beiden Geschlechtern gleichermaßen aggressiv und egozentrisch war. Edith sagte, daß Severins Form von Gleichberechtigung sehr kränkend für eine Frau sein könne. Er schien keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu machen - behandelte beide mit einer Form von Männlichkeit, die Frauen das Gefühl vermittelte, sie seien einfach einer von den Jungs. Um der Gleichberechtigung willen liegt nur wenigen Frauen wirklich daran, daß Männer so weit gehen. Sogar was seine Körperlichkeit anging - seine Hände, die einen überall anfaßten, wenn er sprach -, fühlten sich Frauen von seiner Berührung sogleich entspannt, aber auch ein wenig verstimmt. Seine Berührung ließ sich nicht als billiges Betatschen mißverstehen; seine Berührungen waren so bar jeder Sexualität, daß Frauen das Gefühl hatten, er nähme sie überhaupt nicht als Frauen wahr.
Severin war fast acht Jahre verheiratet, ehe er Zeit oder Grund hatte, sich zu überlegen, daß es vielleicht angenehmere Vormittage gab, an denen man aufwachen, lebhaftere Betten, in denen man liegen, andere Leben, die man führen könnte. Der Gedanke brachte ihn durcheinander. Daran sieht man, wie naiv er war. Und als er zum erstenmal den Mut fand, seiner Frau seine neuen Überlegungen mitzuteilen, brachte es ihn um so mehr durcheinander, als er erfuhr, daß sein gefährlicher Tagtraum ihr schon vertraut war.
»Du meinst, es hat andere Männer gegeben?«
»Aber nein. Noch nicht.«
»Noch nicht? Aber du meinst, du hast an andere Männer gedacht?«
»Na ja, natürlich - andere Verhältnisse, doch.«
»Ach so.«
»Ich meine nicht, daß ich sehr oft daran denke, Sevi.«
»Ach so.«
Es war nicht das erste Mal, daß er tatsächliche Gleichberechtigung schwer zu ertragen fand. Er war jemand, den es stets aus der Fassung brachte, seine eigene Arglosigkeit festzustellen. Ich glaube, daß ihm von Natur aus ein Überlegenheitsgefühl eigen war. Bei all ihrem Geschwätz über Gleichberechtigung übersehen Edith und Utsch bei Severin eins: er meinte von sich, er beschütze Edith vor seinen komplizierten Gefühlen. Was für ein Schock für ihn, zu erfahren, daß sie auch kompliziert war.
Aber wenn er auch im wesentlichen kein eifersüchtiger Mann war, so stellte er doch in anderer Hinsicht Ansprüche. Er mußte sich zur Quelle der wichtigen Gefühle in Ediths Leben machen. Wenn er es auch nicht nötig hatte, sie noch mehr in Besitz zu nehmen, als sie nachweislich schon war, so mußte er doch auch ihre Arbeit in Besitz nehmen - und ich weiß, daß ihr das zu schaffen machte. Obwohl er gern sagte, es sei der Sex, wenn es schlecht lief - übrigens auch wenn es gut lief -, bin ich sicher, daß viel von seinem Unbehagen an der Beziehung zwischen Edith und mir von der Intimität herrührte, die wir durch unsere Schriftstellerei teilten. Er war kein Schriftsteller, wenn auch Edith behauptete, er sei ihr bester Leser. Ich bezweifle das; seine Kategorien - seine Vorstellungen von Gewichtsklassen - waren ärgerlich. Ich wußte nie, wann es unser Sex war, der ihm zu schaffen machte, und wann seine Vorstellung, ich hätte ihn als Quelle von Ediths Gedanken
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