Eine Mittelgewichts-Ehe
besiegen konnte; die Ivy-League-Hochschulen schlug er vernichtend, und er setzte pro Jahr gewöhnlich einen Wettkampf gegen eine der großen Ringermächte der Ostküste an. Er erkannte geschickt im voraus die im jeweiligen Jahr schwächste dieser Ringermächte und inszenierte pro Saison einen großen Überraschungssieg für seine Tunnelgänger. Einmal war es die Heeres- oder Marineakademie; einmal gewann er knapp gegen die Penn State. Er verlor natürlich immer gegen diese Hochschulen, wenn er auswärts antrat, und bei den Ostküsten-Meisterschaften hatte er Mühe, in manchen Gewichtsklassen Medaillengewinner zu stellen.
Jedes Jahr wählte er seinen besten Ringer aus und nahm ihn auf die lange und demütigende Fahrt zu den Landesmeisterschaften mit. Der Junge wurde schon in der Vorrunde fertiggemacht, aber Winter erwartete nichts Besseres, und er war freundlich zu diesen Jungen und machte ihnen nie etwas vor. Er nahm jedes Jahr nur einen Ringer mit - es gab immer einen, der sich qualifizierte -, bloß damit er eine Reise zu den Landesmeisterschaften als Schulausgabe geltend machen konnte. »Er hat eine Außenseiterchance«, pflegte er dem Sportinstitut zu sagen. Es war eine harmlose Lüge.
Winter wußte, daß er den alten, dunklen Käfig und seinen langen Tunnel nicht nach Stillwater, Oklahoma, oder Ames, Iowa, bringen konnte. »Dort draußen«, sagte er, »haben sie ihre eigenen Tunnel.« Und er tippte sich an seinen struppigen Schädel. »Sehr geheime Tunnel, sehr schwierig zu knacken.«
Ich machte mir oft über seinen Tunnel Gedanken - wie verschlungen war er, und wie lang?
Aber es war Edith, die uns damals zum erstenmal zum Essen einlud. Ihre Gründe waren unkompliziert: sie wollte sich mit mir über das Schreiben unterhalten. Mit Dreißig hatte sie sich immer noch nicht an einen Roman gewagt, aber ihre Geschichten - meistens über alltägliche, genau beobachtete Beziehungen - waren erschienen, die meisten in kleinen Zeitschriften, eine davon jedoch entweder in ›Harper's‹ oder in ›The Atlantic‹. Sie belegte gewöhnlich jedes Jahr ein Seminar in ›Kreativem Schreiben‹, obwohl sie nicht daran interessiert war, einen Grad zu erwerben, oder sie arbeitete selbständig mit dem Universitätsschreiber. Was ich nicht war; ich war von der Historischen Fakultät eingestellt, und ich sagte ihr, daß ich noch nie ein Seminar über ›Kreatives Schreiben‹ gegeben hätte und das auch nicht wollte. Sie sprach allerdings so gut über ihre Arbeit, daß ich mich bereit erklärte, sie mir anzusehen. Seit zwei Jahren war der Universitätsschreiber der berühmte Helmbart, und Edith bekannte, daß sie weder ihn noch seine Arbeit mochte. Ich war, das gebe ich zu, erfreut, das zu hören; Helmbarts Art von überheblichem Königtum über den sogenannten nouveau roman ekelte mich an. Edith und ich stimmten darin überein, daß wir, wenn das Thema eines Romans war, wie man einen Roman schreibt, nicht mehr interessiert waren; wir interessierten uns zwar für Prosa, aber nicht, wenn die Prosa selbst zum Thema der Prosa wurde.
Es war ein gutes Gespräch. Es schmeichelte mir, zu erfahren, daß sie zumindest eines meiner Bücher gelesen hatte - das dritte, über Andreas Hofer. Sie stellte mein Beharren auf dem Begriff »historischer Roman« in Frage, der für sie mit schlimmen Assoziationen verbunden war. Aber ich bestünde auf der Geschichte, sagte ich, weil ich fand, daß Romane, die kein eigentliches Gefühl von Zeit vermittelten, nichts vermittelten. Darum kabbelten wir uns; ich konnte sie nirgends überzeugen. Severin, sagte sie, habe alle meine Bücher gelesen. Ich war überrascht. Ich sah ihn an und wartete auf seinen Kommentar, aber er sprach deutsch mit Utsch. »Aber sicher, Severin liest alles«, sagte Edith. Ich wußte nicht genau, wie ich das auffassen sollte; sie konnte gemeint haben, daß er kein kritischer Leser, sondern eine Art Büchervielfraß war oder daß sie seine Belesenheit bewunderte. Edith heftete die Augen auf einen, wenn sie mit einem sprach, und sie bewegte lebhaft die Hände - vielleicht eine Angewohnheit, die sie von Severin übernommen hatte.
Helmbart, sagte sie, habe seine Zeit damit verbracht, ihre »Macken« zu analysieren; er redete überhaupt nicht über ihr Schreiben oder ihre Gestalten. Sie sagte, er habe ihr einmal gesagt, sie könnte erst dann zu schreiben anfangen, wenn sie »einen Tisch beschreiben und seine Seele und sein Geschlecht darstellen« könne. Genau solcher Scheiß hat ihn
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