Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
ersetzt. Ich hielt es immer für wichtig, das zu wissen, aber ich bezweifle, daß er sich gewöhnlich über den Unterschied im klaren war. »Es ist die ganze Sache«, pflegte er zu sagen - seine MittelgewichtlerÄsthetik zermalmte uns alle.
    »Ich gönne dir alle Schriftsteller, Kollegen und Mentoren, die du willst«, sagte er Edith einmal in einem Wutanfall, »aber du wirst ja wohl nicht mit allen schlafen müssen!« Offensichtlich war er von seiner bizarren Sensibilität für eine Art doppelter Untreue besessen. Daß Edith und ich uns unterhalten konnten, war schmerzlicher für ihn, als daß wir miteinander schliefen. Aber was erwartete er? Es kann nicht alles gleich sein! Wäre es ihm besser gegangen, wenn Utsch Ringertrainerin gewesen wäre?
    Zumindest war sie ein Fan. Es bekümmerte Winter, daß Edith das nicht war. Er bat sie ständig, zu den Wettkämpfen zu kommen, er langweilte sie mit Geschichten von seinen Jungs, bis sie ihm schließlich sagen mußte, daß sie sich einfach nichts daraus machte. Sie erkannte, warum es ihm gefiel, und das war in Ordnung, aber es hatte nichts mit ihr zu tun. »Alles, was mit dir zu tun hat, hat mit mir zu tun«, sagte er ihr. Sie fand nicht, daß es so sein sollte. »Ich lese alles, was du schreibst, ich lese einen Haufen Zeugs, das du nicht schreibst - und einen Haufen Zeugs, das du nicht liest. Wir reden immer darüber!« sagte er.
    »Aber du liest doch gern«, bemerkte sie.
    »So viel davon hat mit dir zu tun«, sagte er ihr. »Wie kommst du darauf, daß es mir so gefällt?«
    Ich verstand vollkommen, was Edith an der Ringerei nicht mochte. Sie fühlte sich von einer Seite Severins angezogen, die ihr auch lästig werden konnte; sie mochte seine kecke Sicherheit, seine Explosivität; sie war nicht so, aber bei ihm mochte sie es, außer wenn es zu stark schien, sie in sich aufzusaugen drohte. Und diese Seite machte sich am stärksten bemerkbar, wenn er sich mit seinen Ringern beschäftigte. Wie wahnsinnig engagiert alle Ringer Severins auf sie wirkten! Sie schienen von sich selbst hypnotisiert, eingelullt in ein Ego, das in dem Moment losbrach, in dem ihr physisches Rasen den Höhepunkt erreichte. Es war zu laut, zu ernst, zu intensiv. Es war außerdem eher Anstrengung als Anmut; obwohl Severin darauf bestand, daß es eher wie ein Tanz als wie ein Kampf war, war es für sie ein Kampf. Für mich auch. Außerdem, und das ist entscheidender, war es langweilig. So wenige Kämpfe gingen wirklich knapp aus; oft sah man bloß zu, wie einer einen anderen fertigmachte, und das einzig Ungewisse war, ob der offensichtliche Sieger sein Opfer schließlich schultern würde oder sich damit begnügen mußte, es bloß über die ganze Matte zu schleifen. Natürlich war ich nie Sportler; ich mache mir nichts aus Sport. Ich habe nichts gegen einen Spaziergang dann und wann, aber das mache ich, um mir beim Denken zu helfen. Edith war auch keine Sportsfreundin. Sie mochte die Körper von Ringern, sagte sie, »von den Leichtgewichtlern bis hin zu den Mittelgewichtlern«, aber große Männer waren abstoßend für sie. Obwohl sie hochgewachsen war, mochte sie Severins Kleinheit. Sie mochte die Massigkeit von Ringern, die eigenartigen Proportionen ihres Gewichts, das hauptsächlich in ihrem Oberkörper steckte. Sie mochte Männer »ohne Hintern, mit kurzen Beinen«. Severin war so.
    »Warum magst du mich?« fragte ich sie einmal. Ich bin groß und dünn; sogar mein Bart ist schmal.
    »Na ja, du bist so eine Abwechslung«, sagte sie. »Du bist so anders, daß es schön ist. Vielleicht ist es dein Bart; du hast ein älteres Aussehen, das mir gefällt.«
    »Nun ja, ich bin auch älter«, sagte ich ihr. Vier Jahre älter als Utsch und Severin; acht Jahre älter als Edith.
    Utschs Geschmäcker waren mir rätselhaft. Sie behauptete, sie möge die meisten Körper. Sie sagte, sie möge auch den älteren Teil von mir, aber hauptsächlich möge sie, wie sehr ich offensichtlich die Frauen möge. »Obwohl ich wußte, daß es schwierig werden würde, habe ich nie jemanden kennengelernt, der so aufmerksam zu Frauen war«, sagte mir Utsch. Sie deutete an, ich sei ein Frauenheld; tatsächlich gebrauchte sie oft das Wort »Schürzenjäger«. Nun ja, ich bin ein größerer Schürzenjäger als Severin Winter, aber das ist auch der Papst.
    »Meinst du denn nicht, daß ich auch nett zu Frauen bin?« fragte ich Utsch.
    »O ja, ich denke schon. Du bringst eine Frau dazu, darin zu schwelgen, eine Frau zu sein«, sagte sie;

Weitere Kostenlose Bücher