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Eine Mittelgewichts-Ehe

Eine Mittelgewichts-Ehe

Titel: Eine Mittelgewichts-Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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zum Essen bei sich zu Hause; Edith sagte, sie wuchteten und rumsten durchs Haus und stießen Bilder an den Wänden schief. »Irgendwie zerbrechen sie alle Aschenbecher - dabei rauchen sie nicht einmal. Es ist, als ob sie die Weichheit von Matten und den Raum einer Arena brauchen, um wendig zu sein.«
    Mindestens einmal pro Woche kam einer davon zu ihnen nach Hause, um Nachhilfe in Deutsch zu bekommen. Während Edith las, Musik hörte oder ein ausgiebiges Bad nahm, hörte sie Severin »irgendeinem Trumm von einem Jungen« etwas vortönen. »Wir müssen nur deutsch sprechen«, sagte er freundlich.
    »Wir müssen nur ... nur was?« fragte der Ringer.
    »Deutsch.«
    »Ah, ja. Mein Gott, Trainer, ich komm mir so blöd vor.«
    »Nein, nein, du bist nicht...«
    Severin mochte Williams, aber seine Fähigkeit, Verlierer zu mögen, hatte ihre Grenzen, egal wie interessant sie verloren. Gewinner mochte er lieber, und der gewinnendste Ringer in seiner Mannschaft war ein 72 Kilo schwerer Fremder aus Waterloo, Iowa, namens George James Bender. Er war drei Jahre hintereinander High-School-Meister von Iowa gewesen und von der Spitzenmannschaft seines Heimatstaates, der Iowa State, verpflichtet worden. Damals waren Erstsemester noch nicht für Hochschulwettkämpfe zugelassen, und Bender hatte ein Jahr lang nur an offenen Turnieren teilgenommen. Er hatte sie alle gewonnen; er hatte nie verloren. Als Student im zweiten Jahr erwartete man von ihm, daß er bei den Landesmeisterschaften durchmarschierte, aber er riß sich bei den Big-Eight-Meisterschaften das Knie auf. Er war schon immer ein seltsamer, ernsthafter Student gewesen; in seinem ersten Jahr auf der High-School hatte er irgendeinen Wissenschaftspreis gewonnen. Auf der Iowa State war er ein glatter Einserstudent; er studierte Medizin im Vorklinikum, aber eigentlich wollte er Genetiker werden.
    Bei den Landesmeisterschaften, bei denen er nicht mitringen konnte, machte sich Bender auf Krücken mit Severin bekannt. »Professor Winter?« sagte er; Severin war natürlich Professor, aber er war nicht gewohnt, so genannt zu werden. »Wie ich höre, haben Sie in Genetik einen der wenigen HauptfachStudiengänge für Nichtgraduierte im Lande, und Sie haben den Spitzengenetiker der Welt in Ihrer Abteilung.«
    »In meiner Abteilung?« sagte Winter. Er dachte an Deutsch oder Ringen, nehme ich an. Er betrachtete Bender auf seinen Krücken, und plötzlich ging ihm auf, daß der Junge davon sprach, zu wechseln und für ihn zu ringen. Winter hatte natürlich von Bender gehört; das hatte jeder Trainer und Ringer im Lande.
    Aber Benders Knie heilte nur langsam. Im ersten Jahr nach seinem Wechsel konnte er ohnehin nicht für die Universität ringen, und Severin wurde mitten in der einjährigen Sperre des Jungen hart getroffen, als Bender sich ein zweites Mal am Knie operieren lassen mußte. Er hatte mit der Mannschaft leicht trainiert - und sie alle geschlagen, obwohl Winter es ablehnte, ihn mit den Schwergewichtlern herumspielen zu lassen. Bender hätte auch sie schlagen können, aber jedem kann ein Fehler unterlaufen, und Severin wollte nicht, daß »einer von diesen plumpen Football-Spielern« auf den Jungen fiel und das kostbare Knie verletzte. Er verletzte sich das Knie nicht beim Ringen neu; er verletzte es sich, als er an der Kraftmaschine mit den Beinen zuviel Gewicht hob.
    Winter fragte sich auch, ob Bender nicht zu sehr »gottverdammter Genetiker« - ausgerechnet! - geworden war, um noch ein echter Ringer zu sein. Er sah Benders Seniorenjahr mit mehr Erwartungen entgegen, als er sich je für irgendeinen seiner anderen Ringer zu hegen erlaubt hatte. Bender verbrachte den Sommer zu Hause in Iowa und trainierte jeden Tag mit ein paar jener Zeloten aus seiner Iowa-State-Mannschaft. Aber als er im August in den Osten zurückkam, um privat mit unserem Genetiker, dem großen Showalter, zu arbeiten, ärgerte sich Winter, weil niemand auf unserem Sommercampus war, mit dem Bender ringen konnte.
    Bender spazierte in seinem langen weißen Laborkittel über den Campus. Er war fast so bleich wie der Kittel - ein kurzhaariger Rötlichblonder mit einem Bart, der sechs oder sieben verstreute Haare wie Maisfäden auf seinem Gesicht sprießen ließ; er rasierte sie einmal pro Woche und schaffte es immer, sich zu schneiden, während er eines dieser sechs oder sieben Haare entfernte. Er hatte fahlblaue Augen und trug eine schwarze Brille mit schwerem Gestell und dicken Gläsern. Er sah aus wie ein kräftiger

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