Eine Mittelgewichts-Ehe
sie Tee trank und in den Überresten eines eindrucksvoll aussehenden Frühstücks stocherte. Es dämmerte beinah schon. Sie lächelte, als ich hereinkam; sie sah schläfrig, aber glücklich aus. »Was ist los?« fragte sie.
»Ich dachte, mit dir wäre vielleicht was los.«
Sie lachte. Heute nacht waren sie wirklich freigebig mit ihrem Gegiggel und Gekicher, dachte ich.
»Was habt ihr gemacht?« fragte ich, überrascht, sie angezogen zu sehen. Als ich die Schlafzimmertür aufmachte, war das Bett ordentlich gemacht, eingeschlagen wie zur Mittagszeit, die Kissen unzerknautscht.
»Wir sind in die Ringerhalle gegangen«, sagte Utsch. Sie brach in Gelächter aus und errötete. Dann erzählte sie es mir.
Severin hatte das Auto auf der Rückseite der neuen Sporthalle geparkt und die Scheinwerfer auf- und ab-, auf- und abgeblendet. Als ein Nachtwächter aus dem Eingang zum Versorgungsbereich kam, rief Severin: »Ich bin's, Harvey. Ich geh heute nacht in die Halle rauf.«
»Okay, Trainer«, sagte der Nachtwächter. Utsch wurde klar, daß er das nicht zum erstenmal machte.
Es war Mitternacht, als er sie durch die dunklen Korridore führte; er kannte jede Biegung. Im Umkleideraum zogen sie sich aus. Nur Utsch fröstelte. Sie zogen saubere Ringermäntel an, die karminrot-weißen mit den ominösen Kapuzen. Wie Mönche, in einen mitternächtlichen Ritus versenkt, gingen sie durch den legendären Tunnel; er küßte sie; er betastete sie unter ihrem Mantel.
In der Schwärze des Tunnels streifte Severin nicht eine einzige Wand. Utsch spürte seinen Arm nach der Tür greifen, gerade als sie dort anlangten. Mondlicht glasierte den Aschenboden des alten Käfigs, und die Oberlichtkuppel war mit dunklen Efeuranken geätzt. Die alte Holzbahn quietschte, als sie drum herum gingen. Die Tauben unter den Dachrinnen wurden aufgestört und zeterten wie Großmütter. Irgendwo schepperte eine Hochsprunglatte; Utsch erstarrte, aber er ging gleichmäßig, rhythmisch weiter. Severin Winter war mit diesem Ort bei Nacht vertraut.
In der Ringerhalle kräuselte das Mondlicht die Matten wie einen blutgefärbten Teich. Utsch sagte, sie sei erregt, aber ein wenig eingeschüchtert gewesen. Er nahm ihr den Mantel ab; die Matten hatten die perfekte Temperatur für ihre Haut. Sie hätten sich »rumgekugelt«, sagte sie; sie hätten sich »aufgelockert«. Sie probierte ein paar Joga-Positionen; er zeigte ihr ein paar Dehnübungen. Der Thermostat hielt den Raum gleichbleibend warm, und bald schwitzten sie beide. Utsch sagte, sie habe sich noch nie so gelenkig gefühlt. Dann bewegte sich Severin zu dem geisterhaft weißen Rand des Startrings auf der mittleren Matte, seine bloßen Zehen reihten sich hinter der Linie auf. Er wartete auf sie; er lächelte nicht. Utsch sagte, sie habe sich unsicher gefühlt, aber sie habe ihm vertraut. Sie stand ihm hinter dem Kreis gegenüber und atmete tief; sie ließ den Kopf pendeln, dehnte den Nacken. Seine Hände bewegten sich rastlos auf seinen mondhellen Schenkeln. Sie ließ die Finger tanzen, wie es Tyrone Williams vor dem Anpfiff tat.
»Wie geht's?« fragte Severin mit seiner Tunnelstimme.
»Gut«, sagte Utsch - heiser, aber laut.
Jetzt hörte Severin in seinem Kopf eine Pfeife und ging durch den Kreis auf sie los - ohne Eile, ohne sie direkt anzugreifen. Wieder verspürte sie ein wenig Angst, aber als seine Hand nach vorn schoß und ihren Nacken umfaßte, wurde sie lebendig; sie tauchte unter seiner Brust weg und traf ihn wuchtig zustoßend an den Knien. Er glitt weg, schwebte dann wieder auf sie zu; sie wischte nach seinem Kopf - ein Fehler, merkte sie -, und er hatte sie. Er schlüpfte so tief unter ihr durch, daß sie überrascht wurde; er traf sie mit Wucht, aber sauber; nichts tat weh. Er hatte sie so eng, daß nichts sich bewegte. Das runde Gewicht seiner Schulter war in ihrem Schritt, sein Arm schlängelte sich durch ihre Beine, seine Handfläche lag flach auf ihrem Rückgrat. Sie langte nach hinten, um ihren Fall abzufangen, und stellte fest, daß sie schon auf der Matte lag; sie wand sich aus der Rückenlage (er ließ sie), stemmte sich gegen ihn an, kam auf die Knie und versuchte aufzustehen. Er umfing sie dichter als ein Mantel. Er war alles andere als grob; er gab ihr das Gefühl, sie habe zwei Körper, die sich im Gleichtakt miteinander bewegten. Es ging ohne Anstrengung, aber sein Gewicht erschöpfte sie. Ihre Arme wurden schwer vom Heben seiner Arme; ihr Rücken höhlte sich unter dem Gewicht
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