Eine Nacht in Bari
auf die Liste gefährlicher und tendenziell verbotener Substanzen gesetzt worden war. Nach streng vertraulichen Informationen aus ihrem Geheimnis-Fundus befand sich die gesamte Produktion gut schmeckender Lebensmittel in den Händen einer geheimnisvollen Firma, die mit der Manipulation von Lebensmitteln beauftragt war. Insbesondere Waffeln, Nutella, Coca-Cola, aber auch jede Art von Schokolade (bis auf die teure belgische, die praktisch unmöglich zu bekommen war) kamen laut meiner Mutter aus riesigen Bottichen, in denen ein widerliches Gebräu brodelte, in das alles Mögliche geworfen wurde, darunter auch kaputte Regenschirme und tote Tiere.
Da es sich um verbotenen Stoff handelte, gehörte diese zähflüssige, duftende Schokolade zu den besten und aufregendsten Dingen meiner Kindheit. Francos Bestellung
bei Stoppani – Kaffee für ihn, Schokolade für mich – wurde zu einem Ritual, von dem ich meinen Eltern vorsorglich nichts erzählte. Ich hatte ein Geheimnis, das ich noch dazu mit einem Erwachsenen teilte: Diesen Aspekt genoss ich ganz besonders.
Ich fand, dass Franco ein ausgesprochen freundlicher Mensch war. Er gehörte zu den wenigen Erwachsenen, die ich wirklich mochte.
Dann ging ich ein paar Wochen lang nicht mehr in die Buchhandlung. Vielleicht, weil ich krank war, oder wegen der Weihnachts- oder Osterferien. Ich weiß nur noch, dass ich eines Nachmittags zu meinem Vater sagte, ich würde zur Libreria Rinascita gehen.
Mein Vater sah mich einen Augenblick lang an, und an seinem Zögern und seinem Gesichtsausdruck merkte ich, dass er mir nichts Gutes sagen würde.
»Die Buchhandlung gibt es nicht mehr.«
»Was heißt das, es gibt sie nicht mehr?«
Er zögerte wieder. Dann erklärte er es mir jedoch: Jemand hatte eine Flasche mit Zündstoff in die Buchhandlung geworfen. Die Räume waren ruiniert, viele Bücher verbrannt. Und Franco hatte beschlossen, die Buchhandlung aufzugeben und wieder als Schulbuchvertreter zu arbeiten.
Ich weiß nicht mehr, ob ich fragte, wer diese Flasche geworfen hatte und warum: Deshalb weiß ich auch nicht mehr, wann (ob damals oder erst viel später) ich erfuhr, dass der Anschlag das Werk eines faschistischen Schlägertrupps war, der vom nahe gelegenen Sitz des Movimento Sociale herübergekommen war.
Ich weiß jedoch noch, dass ich trotzdem aus dem Haus ging. Einen Spaziergang machen, wie ich sagte.
Ich ging durch die Via Putignani und war fünf Minuten später in der Via Roberto da Bari. Von dort aus konnte ich an meinen Lesenachmittagen schon das erleuchtete Schaufenster der Buchhandlung sehen und die rote Schrift »Rinascita«.
Auch an jenem Nachmittag sah ich die Buchhandlung. Sie war dunkel, verrammelt, und die Schrift auf dem Schild war fast vollständig von einem schwarzen Brandfleck überdeckt.
Ich war ein Kind, das Wörter liebte. Ich las gern, versuchte mich im Schreiben, spielte mit den Wörtern. Manchmal überlegte ich mir, wie ich mich ausdrücken würde, wenn ich etwas Unheimliches oder Lustiges, das ich erlebt hatte, zu Papier bringen wollte.
Damals beschrieb ich in meinem Kopf die Szene, die mir widerfuhr, mehr oder weniger so: Der Junge ging an der Buchhandlung vorbei und sah, dass jemand sie in Brand gesetzt hatte. Das ist etwas sehr Trauriges und sehr Ungerechtes, sagte er sich, während er die Tränen zurückhielt und weiter durch die Via Putignani ging, auf das Teatro Petruzzelli und die Lichter des Zentrums zu.
DREI
Beim Betreten des Restaurants wurde uns sofort klar, dass Giampiero hier Stammgast sein musste und deshalb besonders zuvorkommend behandelt wurde. Die Ober begrüßten ihn mit respektvoller Herzlichkeit, und sogleich eilte auch der Besitzer selbst herbei. Die beiden umarmten sich. Dann stellte Giampiero Paolo und mich vor. Wir wurden feierlich willkommen geheißen und gefragt, was wir essen wollten.
Wir hätten einen alten Freund mitgebracht, der nach vielen Jahren nach Bari zurückgekehrt wäre und dem ordentlich aufgetischt werden sollte, sagte Giampiero. Ein verschwörerischer Blick des Wirts fragte: Soll ich das übernehmen? Gern, aber ich bitte dich: Dieser Herr – Giampiero legte eine Hand auf Paolos Schulter – soll nach Chicago zurückfahren und sich bewusst sein, was er als Amerikaner alles verpasst.
Wir werden unser Bestes tun. Noch ein verschwörerischer Blick: Soll ich auch den Wein auswählen?
Tu das, wie immer.
Dieser Pas de deux verschaffte mir leichte Beklemmungen.
Zum Glück erschien kurz darauf ein Kellner
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