Eine Nacht mit Folgen
wollte das Kind auch nicht dem Schmerz aussetzen, dass Graham es weder liebte noch schätzte. Obwohl sie ihn als zärtlichen und leidenschaftlichen Liebhaber erlebte, hatte sie doch seine kühle kalkulierende Seite gesehen. Was war, wenn er sich mit Geld von der Verantwortung für das Kind freikaufen wollte? Geld war das Letzte, was sich Serena von Graham wünschte, ganz bestimmt war es kein Ersatz für die Liebe und Fürsorge eines Vaters. Da sie selbst in ihrer Familie genug Zurückweisung und Unverständnis erfahren hatte, konnte Serena ihr Baby unmöglich den gleichen Umständen aussetzen.
Also traf sie eine schwere Entscheidung. Sie entschloss sich, keinen Kontakt zu Graham aufzunehmen und ihm nichts von dem neuen Leben zu erzählen, das sie beide in dieser einen wundervollen Nacht geschaffen hatten. Es war das Beste für alle Beteiligten.
Trotzdem tat es weh.
Und wie sollte sie das alles ihrem Vater und ihrer Stiefmutter erklären?
Unmöglich. Vielleicht hätte sie ihnen die Wahrheit sagen können, wenn sie ein anderes Verhältnis zueinander hätten.
Aber sie wusste, dass die beiden sich nur aufregen und sie verurteilen würden. Genau das, was sie im Moment nicht gebrauchen konnte.
Sie schaute Harrison an.
"Was genau hast du jetzt vor?" fragte er. "Willst du das Kind tatsächlich als allein stehende Frau aufziehen?"
"Es tut mir Leid, Dad, aber so ist es."
Selbst während sie sprach, konnte sie noch nicht ganz glauben, was sie sagte. Es gab immer noch Momente, in denen ihr ihre jetzige Situation sehr unwirklich erschien. Sie, das liebe, brave Mädchen wurde eine allein erziehende Mutter.
Was eine einzige Nacht doch bewirken konnte.
"Ist dir klar, wie peinlich das ist?" fragte Cassandra.
"Für wen?"
"Für deinen Vater und mich. Wenn unsere Freunde und Geschäftspartner das erfahren, dann ..."
"Ich sehe nicht ein, was sie das angeht. Die meisten kennen mich ja noch nicht einmal."
Cassandra seufzte theatralisch. "Das ist eine ziemlich egoistische Einstellung, meine Liebe. Du lebst schließlich nicht in einem Vakuum. Es ist nicht richtig, so zu tun, als wenn du die Einzige wärest, die von dieser Geschichte betroffen ist."
Serena hatte ihre Stiefmutter schon immer für etwas überdreht und eine Heuchlerin gehalten. Und ihren Vater ebenfalls. Sie waren schon immer so gewesen, und Serena hatte sich einfach damit abgefunden.
Doch heute fand sie es noch viel schwerer als sonst, sich damit abzufinden.
"Wenn ich glaubte, dass ich die Einzige bin, die davon betroffen ist", bemerkte sie kühl, "hätte ich euch heute nicht hierher bestellt. Dann hätte ich mir noch nicht einmal die Mühe gemacht, euch über meine Schwangerschaft zu informieren."
"Das stimmt", sagte Cassandra. "Aber solche Dinge sprechen sich nun einmal herum. Es wirft ein schlechtes Bild auf uns ere Familie. So ist es nun einmal."
"Das tut mir sehr Leid. Mir war nicht klar, dass die Leute auch heute noch so altmodisch sind, um sich über eine unverheiratete schwangere Frau aufzuregen. Schließlich bin ich keine vierzehn mehr. Ich bin eine erwachsene Frau."
"Das mag in der City von San Francisco so sein", erwiderte ihre Stiefmutter, "aber wir leben in einem Vorort der Stadt. Hier sind einige Leute noch sehr altmodisch." Sie legte eine Pause ein und verschränkte die Hände in ihrem Schoß. "Serena, vielleicht solltest du darüber nachdenken, eine Weile fortzugehen?"
"Wie bitte?"
Harrison nickte. "Gute Idee", murmelte er.
"Warum sollte ich fortgehen?" Sie schaute die beiden verständnislos an. Der Groschen fiel erst einige Sekunden später. "Ihr meint, um meine Schwangerschaft zu verstecken?"
Cassandra nickte.
"Und was dann? Soll ich das Baby etwa zur Adoption freigeben?"
Sie erhielt keine Antwort.
"Ich kann es nicht fassen, dass Ihr mir so etwas vorschlagt."
Hatte sie eine Zeitreise gemacht und war ins tiefste Mittelalter zurückgekehrt? Heutzutage war es keine Schande mehr, als Frau ein Kind allein aufzuziehen.
Serena legte eine Hand auf ihren Bauch, der immer noch flach war, da sie erst im zweiten Monat war. Sie hatte gehofft, dass wenn der erste Schock überstanden wäre - ihr Vater und ihre Stiefmutter Freude über ihre Schwangerschaft zeigen würden. Schließlich war das Kind ihr Enkel.
Stattdessen dachten sie daran, es zur Adoption freizugeben.
Hatten sie denn gar keine Gefühle, fühlten sie sich dem beginnenden Leben denn überhaupt nicht verpflichtet?
Sie hätte sich so gewünscht, dass ihnen das Baby mehr bedeutete,
Weitere Kostenlose Bücher