Eine Nacht mit Folgen
nachgedacht, ob er die Sehnsucht nach ihr mit dem drastischsten Mittel - mit einer anderen Frau bekämpfen sollte, aber allein der Gedanke, mit einer anderen ins Bett zu gehen, widerte ihn an. Es war unmöglich.
Und es spielte auch keine Rolle, wohin er ging. Sie steckte in ihm drin. Er konnte nicht fortlaufen.
Ungeduldig ließ Graham das Taschent uch auf die
Schreibtischplatte fallen und schob den Stuhl zurück. Er stand auf und ging über die dicken Teppiche zum Fenster hinüber. Mit verschränkten Armen schaute er über die Straßen von London, die in der Nachmittagssonne vor ihm lagen. Historische Gebäude, wunderbare architektonische Kunstwerke ...
Doch nichts, was ihn interessierte. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als in diesem Moment in San Francisco zu sein und auf die Golden-Gate-Brücke zu schauen.
Die Sprechanlage summte. Graham ging zum Schreibtisch zurück und drückte auf einen Knopf. "Ja?"
"Mr. Richards, auf Leitung zwei ist ein Anruf für Sie. Eine Dame aus Kalifornien."
Sein Herz begann schneller zu schlagen. Er sank in den Ledersessel und fluchte leise. Es konnte nicht Serena sein. Es war dumm von ihm, Hoffnung aufkommen zu lassen. Was war nur mit ihm los? Er hatte schon um milliardenschwere Aufträge gepokert, ohne mit der Wimper zu zucken alles auf eine Karte gesetzt. Und jetzt benahm er sich wegen eines einfachen Anrufes aus Serenas Heimatstaat wie ein Schuljunge.
Er nahm den Hörer ab, und seine Stimme klang so kühl und beherrscht wie immer: "Graham Richards."
"Graham?" Die melodische Stimme seiner Exfrau war klar und deutlich über den Atlantik hinweg zu hören. "Störe ich dich?"
Seine Stimme wurde sofort weicher. "Nein, natürlich nicht.
Hallo, Elaine. Ich freue mich, dass du dich mal bei mir meldest."
"Ja, es ist schon eine Weile her, oder? Ich habe versucht, dich in New1 York zu erreichen, und konnte es nicht glauben, als man mir sagte, dass du immer noch im Ausland bist. Ist alles in Ordnung?"
"Ja, aber vielen Dank für deine Besorgnis. Ich habe in letzter Zeit ein wenig zu viel gearbeitet."
"Du? Das überrascht mich."
Er lachte. "Wie geht es dir und Dirk?"
"Wir sind unverschämt glücklich. Hast du im Sommer meinen Brief erhalten, in dem ich mich für das Bild bedankt habe, das du uns geschenkt hast? Es ist einfach wundervoll."
Graham hatte ihnen ein Stillleben eines bekannten New Yorker Künstlers zur Hochzeit geschenkt. "Ja, den habe ich bekommen. Ich freue mich, dass dir das Bild gefällt."
Dann plauderten sie ein paar Minuten wie die guten Freunde, die sie waren.
Elaine hatte sich nach der Scheidung wirklich großartig verhalten. Sie hatte zwar in der ersten Zeit ihren Schmerz und Kummer deutlich gezeigt, aber ihm nie Vorwürfe gemacht.
Trotzdem hatte er sich schuldig gefühlt, und das würde sich wahrscheinlich nie ändern. Er hätte sie nicht heiraten sollen, da er sie nicht wirklich geliebt hatte.
Aber er hatte sie wirklich gemocht und sich damals eingeredet, dass Liebe später kommen würde. Nach ein paar Jahren hatte er zugeben müssen, dass er sich geirrt hatte.
Elaine legte eine Pause ein, und als sie fortfuhr, merkte Graham, dass ihr Tonfall sich geändert hatte.
"Hör zu, ich freue mich wirklich, endlich einmal wieder etwas von dir zu hören, aber das ist nicht der einzige Grund, warum ich dich angerufen habe. Ich dachte, es ist besser, wenn ich dir den neuesten Klatsch überbringe."
"Das hört sich so gar nicht nach dir an."
"Ich weiß", bemerkte sie, "aber das hier ist eine besondere Situation. Es geht um etwas, das du sicherlich wissen willst."
"Nichts Schlechtes, hoffe ich?"
"O nein. Zumindest nicht meiner Meinung nach. Obwohl es ein wenig ... nun sagen wir unerwartet kommt. Graham, du hast doch auf unserer Hochzeit mit einer jungen Frau getanzt, nicht wahr? Und soweit ich weiß, hast du dich auch den ganzen Abend gut mit ihr unterhalten. Erinnerst du dich an sie?
Mittelgroß, hübsch, braune Augen, Anfang zwanzig? Ihr Name ist Serena Jones."
"Ja, ich ... ich erinnere mich."
Obwohl erinnern wohl kaum das richtige Wort für das war, was er in den letzten Monaten durchlitten hatte.
"Gut, das dachte ich mir. Nun, es ist so, Dirk und ich sind ihr kürzlich begegnet."
"Und?"
"Und sie war unverkennbar schwanger. Im sechsten Monat, würde ich sagen."
Graham stockte der Atem.
O Gott, was hatte sie gerade gesagt?
Auf einmal fühlte er sich so, wie er es als Kind getan hatte, wenn sein Vater wieder einmal viel zu schnell gefahren
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