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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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seine hölzernen Glieder nie zuvor gebeugt worden waren. »Diese Umgebung passt besser zu Ihnen«, sagte er.
    Sie hatte noch nie einen dermaßen ausgezehrten Mann gesehen, der noch gehen konnte. Es lag etwas zugleich Faszinierendes und Schreckliches darin, wie ausgeprägt die Knochen unter der eingefallenen Haut seines Gesichts hervorstachen. Sein Adamsapfel wölbte sich zu deutlich vor, es sah aus, als wäre ein Ball in seiner Kehle stecken geblieben.
    Wenn ein so hässlicher Mann sich vorstellen konnte, Katherine Aubyn zu ehelichen, musste eine schreckliche Arroganz in ihm stecken – so extrem, dass er jede Sünde rechtfertigen würde. »Ich nehme an, Sie haben Michael den Löffel gegeben«, sagte sie.
    »Reine Mutmaßungen«, murmelte er. »Sehr schwer zu beweisen. Sogar fast unmöglich.« Er überschlug die Beine, die Hosenbeine raschelten. Seine langen, in dunkles Leder gehüllten Finger trommelten einmal auf sein Knie. »Die Hüter des Gesetzes werden feststellen, dass Whitby am Tag des Diebstahls seinen freien Tag in Ramsgate verbracht hat. Seine Freunde, ein Wirt und ein Barmädchen, werden sein Alibi bestätigen.«
    Ruhig atmete sie weiter. Sah ihm direkt in die kalten, dunklen Augen, die tief in den Höhlen lagen, schwarze Löcher in einem Schädel. Man sah nicht weg, wenn man Angst hatte. Man wich nicht zurück. »Sie haben einen Fehler gemacht«, sagte sie. »Sie haben Ihre Karten auf einen gierigen Trunkenbold gesetzt. Den Löffel habe ich von einer anderen Person erhalten, die beschwören wird, dass sie ihn hatte, bevor ich ihn je zu sehen bekam.«
    Grimstons Lachen klang wie das Rascheln vertrockneter Blätter. Sie bekam davon eine Gänsehaut. Es schien sich auszubreiten und an den Wänden entlangzukratzen. »Sie meinen wahrscheinlich Miss Crowley? Oh bitte, erzählen Sie dem Inspektor von Ihrer Rolle bei der Sache. Eine Frau, die eigentlich wegen Diebstahls in Newgate sitzen sollte und die ihre Freiheit nicht durch ein rechtmäßiges Urteil, sondern simple Bestechung erlangte. Es wäre sicher interessant für den Inspektor, dass sie in einen weiteren Diebstahl verwickelt ist. Erzählen Sie es nur, Miss Whitby.«
    Ihr schnürte sich die Kehle zusammen. Okay, er hatte gründlich recherchiert. Er hatte alle Eventualitäten einkalkuliert, bevor sie überhaupt angefangen hatte nachzudenken. Und er hatte recht. Niemals würde sie Hannahs Namen da hineinziehen. »Was wollen Sie?«, flüsterte Nell.
    »Oh«, sagte er. »Nichts allzu Schlimmes. Ich wünsche einfach, dass Sie verschwinden, Miss Whitby. Allerdings muss es nicht gleich das Gefängnis sein. Aber Sie verstehen, mit diesem neuen Schandfleck auf Ihrer Reputation …« Er hielt inne, als fiele ihm plötzlich etwas ein. »Und schließlich ist es nicht das erste Mal, dass Sie eine Straftat begehen, nicht wahr? Sehen Sie, meine Leute haben einige Aussagen über ein Treffen einer gewissen Hilfsgesellschaft gesammelt. Ich habe den Eindruck, dass Sie Ihre diebischen Tendenzen dort im Beisein mehrerer Personen leidenschaftlich verkündet haben. Könnte das sein?« Er schenkte ihr ein wohlwollendes Lächeln. »Was mag Sie nur zu einer so erstaunlichen Indiskretion getrieben haben?«
    Fest biss sie die Kiefer aufeinander. Er hatte mit den Ladys von der GFS gesprochen. Sie hatten ihm von dem Tag erzählt, als Hannah verhaftet worden war und Nell so lautstark die Schuld auf sich genommen hatte, wo sie ja auch hingehörte.
    Sie hatte diese Weiber mit den schlimmsten Schimpfwörtern belegt, die sie kannte. Ganz bestimmt wären sie froh, vor Gericht gegen sie auszusagen.
    »Nun«, sagte Grimston und musterte sie neugierig. »Ich sehe, dass Sie nichts zu Ihrer Verteidigung zu sagen haben. Wie auch. Die Zeuginnen Ihres früheren Geständnisses werden Ihrer Verteidigung kaum helfen, falls ich Sie für den Diebstahl des Löffels belange.«
    »Kommen Sie zum Punkt«, presste Nell zwischen den Zähnen hervor.
    »Der Punkt ist ganz einfach: Ihre letzte Straftat macht all Ihre Hoffnungen auf Lady Cornelias Erbe zunichte. Sollte ich meine Anklage nicht zurückziehen, werden Sie wegen Diebstahls vor Gericht gestellt und mit großer Wahrscheinlichkeit verurteilt. Und sobald dieses Urteil ergangen ist, wird kaum ein Richter so wohlwollend sein und Sie auf eine Stufe mit Lady Katherine stellen. Schwindlerin und Trickbetrügerin«, fuhr er fort. »So wird man sie nennen. Und darauf stehen schwere Strafen. Ihre Unterbringung« – er ließ einen vielsagenden Blick über den

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