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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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gesprochen, aber das Musikstück, die schmerzliche, traurige Etüde, hatte alles gesagt.
    »Die Zeit ist um, Miss Whitby.«
    Nell öffnete die Augen und sah Grimston ins Gesicht. Es wäre dumm, die fünftausend Pfund nicht anzunehmen. Wenn sie sein Angebot ablehnte und sich damit die Zukunft ruinierte, müsste sie immer nur sich selbst die Schuld dafür geben. Im Rückblick wäre es genau dieser Moment, der ihren Untergang besiegelte.
    »In Ordnung.« Sie brachte ein Nicken zustande. »Ich nehme Ihr Angebot an, wenn ich diesen Ort jetzt sofort verlassen kann.«
    Ein breites Lächeln erschien auf Grimstons Lippen. »Aber natürlich. Ich bin froh, dass Ihre Klugheit die Oberhand behalten hat.« Er stand auf, warf die Rockschöße nach hinten und schnippte mit den Fingern in ihre Richtung, während er sich auf dem Absatz umdrehte. »Kommen Sie«, sagte er.
    Nell hatte ihre Rolle zur Genüge verstanden. Mit gesenktem Kopf folgte sie ihm ins Vorzimmer, wo er verkündete, dass ein Missverständnis vorläge. Der Löffel sei gar nicht gestohlen, sondern nur verliehen worden. Kühl und effizient tat Grimston den lauten Protest des Inspektors ab, dann packte er sie hart am Ellbogen und eskortierte sie zur Tür hinaus in seine Kutsche.
    Nell wurde zusehends übel. Fünftausend Pfund. Ein verdammtes Vermögen und ihre Freiheit obendrein.
    Auf der anderen Seite … Simon.
    Ja, er hatte sie angelogen.
    Aber dann hatte er gesagt, er würde sie nie verlassen.
    Glaubte sie ihm? Jetzt, da ihre Zweifel auf die Probe gestellt wurden, konnte sie nicht an ihnen festhalten. Sie konnte nur immer denken, wie schwer dieser Verrat ihn treffen würde. Der Teufel persönlich hätte diesen Plan aushecken können. Ihm genau das Gleiche anzutun wie jene andere Frau … selbst wenn ihr Vorteil unermesslich groß war, die Freiheit und ein Vermögen …
    Oh Gott. Oh gottverdammt. Sie könnte niemals ertragen, ihre Freiheit zu verlieren, aber sie ertrug es auch nicht, sie zu kaufen, wenn der Preis dafür ihre Seele war.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte sie, sobald sie in dem dunklen, kleinen Innenraum der Kutsche eingeschlossen waren und die Straße entlangschlingerten. Ihre Stimme klang zittrig, aus gutem Grund. In einem Augenblick fühlte sie sich wie betäubt, im nächsten brach sie fast in hysterisches Lachen aus. Sie konnte nicht glauben, was sie hier tat. Sie war eine dreimal verdammte Idiotin.
    »Ich bringe Sie zu meinen Anwälten«, sagte Grimston, »wo Sie ein Schriftstück unterzeichnen, in dem Sie sich von Ihren früheren Forderungen distanzieren und einen Bankscheck erhalten, der Ihre Vernunft belohnt.«
    Sie nickte und lehnte sich zurück in die Sitze. Tränen brannten ihr in den Augen – Tränen des Unglaubens, des dumpfen Erstaunens. Simon hatte recht gehabt. Sie liebte ihn, es gab keine andere Erklärung für dies. Sie hatte ihm nur misstraut und ihn beschimpft, weil es so viel einfacher war, ihn zu hassen. Natürlich fiel es ihr leichter, ihm zu misstrauen, als ihn zu lieben. Schließlich hatte sie aus nächster Nähe die Hölle gesehen, in die das Herz ein Mädchen führen konnte. Sie hatte gesehen, was die Liebe aus Michaels Frau gemacht hatte.
    Und hier saß sie nun und beging Simon zuliebe Verrat an ihm. Für diese unverzeihliche Dummheit würde sie sich zweifellos noch in zwanzig Jahren verfluchen.
    Als die Kutsche abrupt in eine scharfe Kurve fuhr, gab Nell ein würgendes Geräusch von sich.
    »Was ist?«, fragte Grimston.
    »Nichts«, flüsterte sie.
    Ein kurzes Schweigen.
    Nell atmete tief ein und zwang all den Schmerz, die Verwirrung und Verzweiflung in ihren Magen. Wenn sie all das nur loswerden könnte und überhaupt nichts mehr fühlen – nicht einmal Liebe. Vor allem keine Liebe.
    Sie würgte.
    »Guter Gott!«, blaffte Grimston sie an. »Wird Ihnen etwa schlecht?«
    »Ich glaube, die Nerven«, murmelte sie.
    Er schlug an die Decke. »Sie werden sich nicht in diesem Wagen übergeben!«, sagte er scharf.
    »Nein, nein …« Nell hielt sich den Magen und würgte noch einmal, als die Kutsche langsamer wurde.
    »Öffnen Sie die Tür!«, schrie Grimston. Dann flutete kühle Nachtluft herein, starke Hände packten Nell um die Taille und hoben sie auf den Boden.
    Sie beugte sich weit vor, als müsse sie sich übergeben, dann richtete sie sich auf und zielte mit dem Ellbogen direkt in den Unterleib des Dieners.
    Der Mann jaulte, als sie traf. Nell riss die Röcke hoch und rannte los.
    Grimstons Gebrüll hallte über die Straße.

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