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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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»Sie machen einen schlimmen Fehler!«
    Sie verschwendete keinen Atem an eine Antwort.
    Simon entdeckte Nell auf der Straße, als sie stolpernd stehen blieb und zaghaft seiner Kutsche winkte, als fürchtete sie, er würde nicht anhalten. Seine Wut war wie ein lebendiges Wesen, das über jeden ihm bekannten Teil seines Selbst die Kontrolle übernommen hatte. Er schlug an die Decke, und ohne zu warten, dass die Kutsche langsamer wurde, riss er die Tür auf. Dann sprang er auf das Pflaster und packte Nell unter den Armen, als sie sich kraftlos an ihn lehnte.
    Ihre Wärme, ihre Wange an seinem Gesicht war seit einer gefühlten Ewigkeit die erste klare und reine Empfindung. »Geht es dir gut?«, fragte er.
    Sie war außer Atem, ihr schweißnasser Körper bebte vor Anstrengung. Er drückte die Lippen auf ihre Stirn und hielt sie an den Armen fest, bemüht, nicht zu heftig zuzupacken, ihr nicht wehzutun.
    »Mir … mir geht es gut«, keuchte sie. »Bitte, lass uns fahren, er hat die Kutsche wenden lassen, um mir zu folgen.«
    »Grimston«, sagte er.
    Sie nickte an seiner Brust.
    Er würde diesen Mann Stück für Stück auseinandernehmen. Er würde dem Bastard das Herz herausreißen und es an die Krähen verfüttern. Simon hob Nell hoch, ohne auf ihren erschrockenen Aufschrei zu achten, und setzte sie in die Kutsche. »Bringen Sie sie nach Hause«, sagte er zum Kutscher, der den Oberkörper verdreht hatte, um einen Blick auf das außergewöhnliche Schauspiel zu erhaschen.
    »Was …« Nell beugte sich vor, das Licht einer Straßenlaterne verlieh ihrem Gesicht einen bläulichen Ton und tauchte ihre angsterfüllte Miene in ein dramatisches Schattenspiel. »Du kommst mit mir!«
    »Du hast gesagt, dass er kommt«, sagte Simon ausdruckslos. »Ich muss … mit ihm sprechen.«
    Ihre Augen weiteten sich. »Nicht jetzt! Simon, bitte …«
    Bitte
. Ihre Stimme überschlug sich auf diesen Silben. Geräuschvoll sog er den Atem ein.
Bitte
. Sie war verhaftet worden. Katherine hatte ein verdammtes
Briefchen
geschickt. Ein Briefchen, um diese Neuigkeit zu überbringen, ein Stück Papier, das in der Empfangshalle zwischen einem Haufen verdammter Einladungen lag – und er wusste nicht einmal, wie lange schon.
    »Bitte«, wiederholte sie, und ihre Stimme riss ihn aus seinem wütenden Wachtraum. Mit einem Blick zu ihr atmete er langsam aus, sprang in die Kutsche und knallte die Tür zu.
    Sobald er sich neben ihr auf die Bank gesetzt hatte, setzte sich das Gefährt schlingernd in Bewegung, und Nell wurde gegen ihn geworfen. Die Berührung wirkte wie ein Schock, wie ein Schlag auf den Kopf. Seine Gedanken verschoben sich und rasteten an anderer Stelle ein. Er zog sie so schnell und heftig an sich, dass sie einen leisen Protestlaut ausstieß.
    Langsam atmete er aus und zwang sich, seinen Griff zu lockern. Vorsichtig streichelte er ihr durchs Haar und starrte blicklos aus dem Fenster, während er ihren keuchenden Atem an seinem Hals spürte.
    »Wie lange?«, fragte er.
    »Was?«
    »Wie lange warst du dort?«
    »Oh. Vielleicht ein paar Stunden?«
    Er knirschte mit den Zähnen. Wo sollte er mit diesen Gefühlen hin. Reglos saß er da und wagte für einen langen Moment nicht einmal zu atmen, weil seine Muskeln sich verkrampften und Nell zerbrechlich und zitternd an ihm lehnte. Er würde Grimston im Geheimen töten. Der Mann verdiente keine Gerichtsverhandlung oder einen ruhmreichen Tod, er musste ausgelöscht werden wie eine Ratte, exekutiert in einer Seitengasse.
    Nell versuchte sich von ihm zu lösen. Zuerst hielt er sie fest, fing sich dann aber und ließ sie los. Sicher war sie wütend auf ihn. Und sie hatte jedes Recht dazu. Sie war seine Frau. Sie war …
Nell
, und er hatte sie stundenlang allein gelassen, umgeben von Feinden. »Ich wusste es nicht«, sagte Simon heiser. »Ich schwöre dir, ich bin sofort losgefahren, als ich es herausgefunden habe. Die Kutsche stand schon bereit, ich wollte nach dir suchen. Mein Gott, hätte ich nicht daran gedacht, mir die Briefe anzusehen, wäre ich in die entgegengesetzte Richtung gefahren, nach Bethnal Green!«
    Die Kehle schnürte sich ihm zusammen. Die Vorstellung, dass sie auf der Flucht vor Grimston allein durch die Nacht gelaufen wäre, dass Simon sie nicht gefunden hätte, sondern Grimston sie erwischt …
    »Es ist in Ordnung«, sagte sie sanft. Sie rieb sich mit der Hand über die Nase und blinzelte ihn an. Ihre Gesichtszüge, die großen, dunklen blauen Augen – nie wieder würde er sich von

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