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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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hat recht«, sagte sie. »Es kommt nichts Gutes mehr dabei heraus.«
    »Du kannst nicht ernsthaft aufgeben wollen«, sagte er.
    »Es ist kein Aufgeben. Es ist eine vernünftige Strategie.«
    Heiser erklang seine leise Stimme in ihrem Ohr. »Verdammt, Nell. Verstehst du nicht, dass ich dich liebe?«
    Blind starrte sie vor sich hin. Diese Worte. »Ich wünschte, du tätest es nicht«, sagte sie. Es machte alles so viel schwerer.
    Auf einmal schob er den Arm unter ihre Knie und hob sie hoch. In seinem Gesicht war etwas Wildes, als er jetzt auf sie hinabsah. »Du läufst mir nicht davon«, sagte er.
    Sie wandte das Gesicht ab. Er trug sie die Treppe hoch und durch den Flur, die steinernen Büsten auf ihren bequemen Sockeln zogen an ihr vorüber und beobachteten sie.
Liebe
, hatte er gesagt.
    Er verlagerte sie in seinen Armen und stieß die Tür zu seinen Räumen mit der Schulter auf. Sie spürte seine Kraft, wie die Muskeln in Brust und Bauch sich anspannten und plötzlich hart wie Stein waren. Ein kluger Trick, eine praktische Fähigkeit für Leute wie ihn. Nach dem Tod wurden sie als Steinbüsten verewigt, im Leben wurden sie zu Stein, wenn sich die Ereignisse gegen sie stellten. Nell wand sich, aber Simon ließ sie nicht los und betrat den Raum.
    In seinem Wohnzimmer befreite sie sich aus seinen Armen und drehte sich zu ihm um.
    Simon starrte sie an. Er war gar nicht aus Stein. Er sah … völlig fertig aus. Erschöpft. »Ich würde dich niemals gehen lassen«, sagte er langsam. »Glaubst du mir jetzt?«
    »Ja«, sagte Nell. Am liebsten hätte sie um sie beide geweint. Langsam strich er sich mit der Hand über das Gesicht und durchs Haar, das er völlig verstrubbelte. Wunderschön, müde und gleichzeitig sichtlich wütend: auf sie, auf sich selbst oder sie beide, weil sie ein einfaches Geschäft zu einem vertrackten Schlamassel gemacht hatten.
    Jetzt wandte er sich ab und ging zu einer Vitrine. Holte eine Karaffe mit bräunlichem Inhalt heraus und goss ungestüm und mit zitternden Händen zwei Gläser voll.
    Ihre Benommenheit verflüchtigte sich so plötzlich und vollständig, dass sie den Verlust still beklagte. Ohne diesen dämpfenden Schutz fühlte sie sich hohl, als würde sie gleich zerbrechen. Simon hatte beschlossen, dass Liebe ein Teil dieser Sache sein sollte. Die ganze Zeit war es ihm nur um das Geld gegangen, und jetzt – jetzt, wo sie eine Kriminelle war, keine Erbin mehr – sollte es plötzlich anders sein.
    »Du wolltest das Geld«, sagte Nell. Diese Ermahnung fühlte sich an, als täte sie ihm auf ihre Kosten einen Gefallen. Die Worte zerfleischten ihre Kehle.
    Simon liebte sie. Sie liebten
einander
. Nell liebte ihn auch, obwohl das jetzt ihr Geheimnis blieb. Denn morgen, oder am Tag darauf oder am Tag nach diesem Tag – was würde ihn halten, wenn sie nichts mehr besaßen? Was würde ihn halten, sobald ihm klar wurde, dass er arm war?
    Er wusste so wenig über Armut. Wie sollte er verstehen, was es bedeutete? Er lebte auf Kredit, aber der Kredit würde nicht ewig währen. Das Leben würde bitterer werden, als er sich vorstellen konnte. Es gäbe kein Klavier mehr, auf dem er spielen könnte. Hatte er jemals so weit gedacht?
    Simon drehte sich wieder zu ihr um. Zuerst dachte sie, er würde ihr eines der Gläser geben – und das wollte er vielleicht auch. Aber er kippte das erste direkt hinunter und, während er sie ansah, hob er das zweite und leerte es ebenfalls.
    Dann setzte er sich in einen Ohrensessel. »Ja«, sagte er dumpf. »Ich wollte das Geld. Genau wie du.«
    Sie sank ihm gegenüber auf einen Stuhl, unfähig, den Blick von seinem Gesicht zu wenden. Komplizierte, wichtige Gedanken waren darin zu lesen, sein Mund wurde hart und die Augen zu schmalen Schlitzen, während er blind in den Raum blickte, zu ihr, zum Feuer und dann zu den Gläsern in seinen Händen, deren Anblick ihn dazu brachte, eine Grimasse zu ziehen. Er stellte die Gläser auf den Tisch und verschränkte die Hände ineinander, legte sie an den Mund, während er langsam einatmete.
    »Es wird schwierig werden«, sagte er. »Schwieriger als wir gedacht haben.«
    Er klang verwirrt. Ein schrilles kleines Lachen kitzelte in ihrer Kehle. Die Niederlage, die Tatsache, dass die Welt sich ihm nicht beugen wollte, machte ihn fassungslos.
    »Aber das heißt nicht …« Er sah ihr in die Augen, und sie fühlte sich wie durchbohrt, geblendet von plötzlichem hellem Licht. Sie blickte nach unten und blinzelte die Tränen fort.
    »Das heißt

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