Eine Parkuhr fuer mein Pferd
schaute auf die Uhr. Es war halb zwei. Wenn er um drei Uhr vor dem Postamt in Verden sein wollte, mußte er jetzt aufbrechen.
„Hör mal zu“, wandte Hans sich an Südwind, „kannst du dich nicht überwinden und mir zuliebe ein Stück gegen den Regen marschieren? So schlimm ist er ja gar nicht mehr, sieh nur! Und dahinten beginnt der Wald, da werden die Bäume uns schützen. Na, was meinst du?“
Südwind hatte den ganzen Hafer gefressen und ließ sich ohne Gegenwehr den Sack abnehmen. Er streckte den Kopf ein wenig unter dem Haltestellendach hervor, als ob er prüfen wollte, wie heftig der Regen noch war. Hans klopfte ihm den Hals, hängte die Satteltaschen wieder an und stieg auf. „Komm, mein Guter“, lockte er, „probieren wir’s wieder!“
Und siehe da, diesmal schien Südwind mit dem Regen fertig zu werden, denn er ließ sich willig in die von seinem Herrn gewünschte Richtung lenken. „Na also“, frohlockte der, „wozu eine Mahlzeit Hafer doch gut ist!“
Allmählich ließ der Regen nach, und als sie kurz nach fünfzehn Uhr in Verden eintrafen, hatte er gänzlich aufgehört. Hans fragte sich nach dem Postamt durch, stieg ab und führte das Pferd an den parkenden Wagen vorbei bis vor das Haus. Andreas war nicht da. Auch seine Ente war weit und breit nicht zu sehen. Das beunruhigte Hans nicht sonderlich. Wenn er wirklich eine Panne hatte, die am heutigen Montag erst behoben wird, kann er natürlich noch gar nicht da sein, dachte er. Also reg dich nicht auf, alter Junge, reite weiter. Südwind war übermütig und schien zu tollen Streichen aufgelegt. Hans merkte das und klemmte die Unterschenkel fest um seinen Leib. Als er auf der Bundesstraße die Aller überquert hatte, verließ er die Straße bei der ersten Gelegenheit, die sich bot, und ritt in die Felder hinein. Das gefiel Südwind. Er übersprang die kleinen Gräben wie nichts und wich auch vor niedrigen Zäunen nicht zurück. Hans fand, nachdem er zweimal runtergefallen war, heraus, wie er sich beim Springen verhalten mußte, und hatte schließlich sogar Spaß daran.
Immer schön nach vorn beugen, dachte er, dann kann nichts passieren. Und Schenkelschluß halten.
Als er eben um eine Gruppe von Büschen herumritt, schoß plötzlich eine Meute von fünfzig oder mehr Hunden heulend und hechelnd von der Seite auf ihn zu und an ihm vorbei. Ihr folgte eine Schar von zwanzig bis dreißig Reitern in farbenfroher Tracht. Die Luft zitterte, der Boden dröhnte.
Bevor Hans noch recht begriff, was geschah, schnaubte Südwind lustvoll auf und galoppierte den Reitern nach, wie von einem Sog mitgerissen. Hans versuchte ihn zu halten, aber das war nicht möglich.
In großem Bogen ging es über die Felder, über Gräben und Hecken, Zäune und Baumstämme, immer den Hunden nach, die einer Spur folgten, die ein Vorreiter gelegt hatte. Jetzt hatte Hans doch Angst, daß er sich bei dem halsbrecherischen Tempo das Genick brechen könnte, und er versuchte mit aller Gewalt, das ungebärdige Tier zu zügeln. Als die Meute einen Weg überquerte, gelang es ihm schließlich. Schweißbedeckt hielt Südwind an, zitterte und blies heißen Atem aus den Nüstern. Schweißbedeckt war auch Hans.
„Du bist vielleicht ein verrücktes Huhn“, stöhnte er. „Kannst doch nicht einfach mit den andern mitlaufen! Wir wollen doch ganz woanders hin.“
Er sprang ab, nahm die Zügel und führte Südwind den Weg entlang, bis er wieder ruhig geworden war. Dann ging er mit ihm hinter eine Reihe von dichten Büschen, band ihn an ein langes Seil, rieb ihn trocken und ließ ihn weiden und aus dem Graben saufen.
Mein Tagesziel habe ich erreicht, dachte er. Heute gehe ich keinen Schritt mehr. Der Schreck sitzt mir ja immer noch in den Knochen.
Er holte die letzten Brötchen aus dem Proviantsack und aß seine Abendmahlzeit. Hier kann ich ganz gut schlafen, stellte er fest. Keiner kann mich vom Weg aus sehen, und Südwind ist auch durch die Büsche gedeckt.
Ein Mädchen am Straßenrand
Corinna stand an der B 206 am Ortsausgang von Bad Segeberg und wartete auf eine Mitfahrgelegenheit. Sie hatte nur eine Campingtasche umhängen mit dem allernötigsten Gepäck. In ihren Jeans und dem roten Anorak sah sie sehr sportlich aus.
Nach kaum zehn Minuten Wartezeit hielt ein Lieferwagen. Ein älterer Herr saß am Steuer und fragte sie nach ihrem Ziel. „Itzehoe“, antwortete sie. „Fahren Sie so weit?“ „Nein, nicht ganz, ich bin in Bad Bramstedt zu Hause. Komm, steig ein, das ist schon der halbe
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