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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Tollkühnheit. Aber es ist egal, sie erheben keine Anklage gegen mich.«
    »Bist du dir da sicher?«
    »Ja, ganz sicher.«
    »Und wieso?«
    »Ich kenne George Holmes. Er wird keine Anklage gegen mich erheben.«
    Sie ließ den Kopf aufs Kissen zurücksinken. Einen Augenblick lang dachte sie nach, dann legte sie die Wange auf meine Brust.
    »Auf dem Weg hierher habe ich überlegt … du weißt schon, ob wir wieder ein Paar werden könnten.«
    »Und?«
    Sie kicherte. »Ich wollte dich eigentlich nicht lassen. Es sei denn, ich hätte wieder genausoviel Sehnsucht nach dir wie früher.«
    Sie schlief in meinen Armen ein, und ich döste wohl ebenfalls bald ein. Stunden später weckte mich ein Zittern, mitten in der Nacht, wie ich dachte. Sie hatte mir die Hände auf die Augen gelegt, und ich glaubte, sie wolle mich blenden, bis ich merkte, daß sie verzweifelt versuchte, mich aufzuwecken. Sie klammerte sich an mich und schluchzte laut. Ihr Akzent klang wieder nach Connecticut mit einem Hauch New York, als habe ein Alptraum sie in ihre frühere Persönlichkeit zurückversetzt.
    »Mein Gott, James. Verdammt. Er ist tot. Er kann das alles nicht mehr – er kann nicht atmen, keinen Wein trinken, nicht bumsen. Er ist, verdammt noch mal, tot. «
    Ich rang mit ihr, bis sie still war. Sie sah mich eingeschüchtert und gleichzeitig verärgert an.
    »Dir ist das egal. Oder?«

[4]
    Klassenhaß trieb mich dazu, mich ein zweites Mal mit ihm zu treffen.
    Ich hatte meinen ersten Geschworenenprozeß verloren, weil mein Mandant schwarz war und der Richter bigott. Ich war wütend und verschreckt darüber, daß es 1976 immer noch mächtige Männer in England gab, deren Menschlichkeit sich auf den magischen Kreis weißer, männlicher Oxford- oder Cambridge-Absolventen beschränkte – ich selbst erfüllte nur die ersten beiden Voraussetzungen. Meine politischen Ansichten waren irgendwo im radical chic steckengeblieben; ich bekannte mich zu einer Art erotischem Sozialismus. Außerdem hatte ich Daisy gegenüber geprahlt, ich würde einen Freispruch für meinen Mandanten bekommen.
    Er war der Prototyp eines rasta-man: Dreadlocks und Marihuana, ein zwanghafter Einbrecher begrenzter Begabung, der die Bibel las, wenn er nicht gerade die Stereoanlagen seines Nächsten begehrte. Er akzeptierte mich nur als seinen Anwalt, weil er in meinem Namen eine Rastafari-Bedeutung entdeckte: Ich sei, so sagte er, sein Weißer Ritter, sein White Knight. Als Daisy hörte, daß er schwarz war, dachte sie an die schwarzen Aktivistenschriftsteller, die in San Quentin einsaßen, und verabschiedete sich mit dem Black-Power-Gruß von mir, wenn ich zur Arbeit ging. Es würde ein gewisses Maß an gespieltem Zorn erfordern, wenn ich ihr mein Versagen erklärte, und den übte ich, als ich im Taxi vom Gericht in die Kanzlei zurückfuhr. Eine halbe Stunde lang war ich ein großer Staatsmann unbestimmter Rasse, umjubelt von Millionen, voll des gerechten Zorns, bewundert von Daisy.
    Aus dieser Phantasie, die man nur Ende des 20. Jahrhunderts haben konnte, schlüpfte ich in den ebenso phantastischen Anachronismus, den das Hauptquartier der Londoner Prozeßanwälte – der Barristers – darstellte. Diese paar Morgen Land, auf denen sich im siebzehnten Jahrhundert entlang der Themse Mietskasernen befunden hatten, hießen »the Temple«, weil sie einmal der Treffpunkt des Kreuzritterordens gewesen waren, als deren späte Nachkommen sich die modernen Anwälte betrachteten. Natürlich kultivierten wir die Aura des Geheimnisvollen und wurden so schon fast obskur. Unsere Kanzleien nannten wir »Chambers«, unsere (meist männlichen) Büroangestellten »Clerks«, unsere Kollegen »Members of chambers«. Diese Members of chambers waren »Tenants« – Mieter –, weil wir alle Miete an den Head of Chambers zahlten, der normalerweise ein Queen’s Counsel war und das Recht hatte, eine Seidenrobe mit prächtigen, ungefähr einem Meter langen Ärmeln zu tragen. Wenn wir im Team arbeiteten, war der Dienstälteste der »Leader«, also der Kopf der Gruppe, und die anderen die »Juniors«. Die Arbeit (die wir ausschließlich von Solicitors – außergerichtlichen Anwälten – bekamen) nannten wir »Instructions«, das förmliche Ersuchen, vor Gericht zu erscheinen, »Brief«. Schnurrig, wie wir waren, erhielten wir die Gentleman-Fiktion am Leben, daß es uns nicht ums Geld ging. Die Solicitors wurden ursprünglich von Barristers ernannt und hatten die verachtenswerte Aufgabe zu erfüllen, in

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