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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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unserem Namen Mandanten beizubringen und Honorare auszuhandeln. Wir selbst hätten nicht im Traum daran gedacht, uns mit solchen Dingen zu beschäftigen, denn unsere Pflicht war es ja, zu unserem ganz persönlichen Vergnügen unsere Fälle dem Gericht darzulegen und dabei Roßhaarperücken zu tragen, die schon unter Charles II. aus der Mode gekommen sind.
    1976 war Verachtung für den kriminellen Mandanten noch selbstverständlich, und unsere selbst auferlegten Regeln besagten, daß wir uns nur in Anwesenheit seines Solicitors mit ihm treffen durften, um eine Kontamination zu verhindern. Es gab sogar so etwas wie eine Ethikpornographie: Geschichten, in denen der Barrister-Held den allzu vertraulichen Avancen seiner kriminellen Mandanten nur mit knapper Not entging.
    Im Clerks’ Room traf ich eine Versammlung von Herren aus dem achtzehnten Jahrhundert an, deren breite Hinterteile sozusagen das Brandmal des Privilegs trugen. Sie verstummten bei meinem Eintreten, weil ich keiner von ihnen war. Roland Denson, ein Music-Hall-Aristokrat, lehnte sich lässig gegen den marmornen Kaminsims und fingerte an einer Goldkette herum, die sich über die schwarze Weste seines Cut spannte. – Eine Szene wie aus Tom Brown’s Schooldays . Ich starrte Denson an, der zurückstarrte, während er das Gespräch trotz meiner Anwesenheit wiederaufnahm.
    »Aber letzten Endes sollten wir uns doch fragen, ob wir wirklich noch einen Außenseiter als Tenant wollen – noch einen dieser Burschen mit einem gewaltigen Komplex, weil er sich aus der Gosse hochgeschafft hat.«
    Denson hatte laut weitergesprochen, während ich mich in den Raum drückte. In der Stille, die folgte, hatten die meisten meiner Kollegen den Anstand, den Blick abzuwenden. Die Anwesenden warteten auf einen Kommentar von mir, doch ich war wie gelähmt vor Wut. Die Fähigkeit, kalkulierte Grobheiten zu parieren, gehörte zu den vielen gesellschaftlichen Techniken, die ich nie gelernt hatte.
    »Ein Außenseiter wie ich …« Ich konnte den Satz nicht zu Ende führen. Das Telefon klingelte, und unser geistesgegenwärtiger Clerk rief, es sei für mich. Normalerweise hätte er zuerst überprüft, ob da nicht ein Mandant sich persönlich an einen Barrister wandte.
    »Ja, Sir, es ist für Sie«, sagte der Clerk, als ich den Raum durchquerte, um den Anruf entgegenzunehmen. Einen Augenblick lang dachte ich, der Anrufer spreche eine fremde Sprache. Jemand im Zimmer sagte »Denson, Sie aufgeblasener Widerling«, und diese Worte, mit einem Akzent der oberen Mittelschicht ausgesprochen, lenkten mich ab. Erst mit Verzögerung merkte ich, daß die Stimme aus dem Hörer Cockney redete.
    »Ja, Oliver, natürlich treffe ich mich mit Ihnen«, sagte ich nicht nur in den Hörer, sondern auch zu allen Anwesenden.
    Eine halbe Stunde später verließ ich die Chambers in der Absicht, eine weit schlimmere Sünde wider den Professionalismus zu begehen, als nur nach dem Abschluß eines Falles mit meinem Mandanten etwas trinken zu gehen. Ich hatte zugelassen, daß ein bekannter Krimineller mich in den Chambers anrief, und ich hatte mich bereit erklärt, mich ganz in der Nähe des geheiligten Temple-Geländes ohne einen Solicitor mit ihm zu treffen.
    Ich trug eine purpurfarbene Tasche mit meiner Perücke und meiner Robe, auf die in Gold meine Initialen gestickt waren. Ich ging die Middle Temple Lane hinunter, vorbei an den Namen früherer Barristers aus einem Stamm, der angeblich so mächtig geworden war, weil er meinen eigenen kolonisiert hatte – Pearson-Rhys, Sir Cecil Maffeking-Gray, Lord Cranthorpe, Mr. & Mrs. Oliver Coldstream-Hill –, auf klösterlichen Pfaden, durch gepflegte Gärten, vorbei an Brunnen und Dahlien. Warum, fragte ich mich, hatte ich mich für einen Weg entschieden, der mich mit Sicherheit unglücklich machen würde? Egal, wieviel Erfolg ich hatte, dazugehören würde ich nie. Die Anwaltschaft war noch immer ein Klub zum Schutz ältlicher Privatschulabsolventen, die emotional auf der Stufe von Dreizehneinhalbjährigen stehengeblieben waren.
    Ich bog in den Temple Place ein, wo ungefähr ein Dutzend obdachloser Frauen und Männer auf die nachmittäglichen Suppenwagen wartete. In der Sommerhitze wurde einem fast übel von dem Gestank ihrer Körper. Er zog sich durch den ganzen Park, an dessen anderem Ende Thirst auf einer Bank saß. Mein Zorn über die Szene in den Chambers hatte sich unterwegs gelegt; jetzt, da ich jenem Raum entkommen war, hatte ich kein Motiv mehr, mich mit ihm zu

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