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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Als ich an jenem Sonntag vorgab, alles zu gestehen, wußten Sie genau, was ich damit sagen wollte: Erheben Sie Anklage, dann sage ich alles. Sie dachten, Sie würden mir einen Gefallen tun, wenn Sie Daisy anklagen. Und panisch haben Sie dann dafür gesorgt, daß man Nigel Monkson den Fall übertrug – immer in der Hoffnung, daß er verlieren würde. Ich würde wirklich gern erfahren, wann Ihnen bewußt geworden ist, daß ich etwas Wichtigeres als mich selbst gefunden hatte und daß ich Daisy nicht im Stich lassen würde.
     
    Ich zeigte Daisy, wie sie den Computer bedienen mußte, um den Text auf dem Bildschirm hin und her zu bewegen, und ließ sie weiterlesen. Wieviel davon würde sie verstehen? Erst jetzt wurde mir klar, daß der Brief eine ganze Menge Wissen beim Leser voraussetzte. Nur George konnte ihn wirklich verstehen.
    Ich ging ans Fenster, fast in der Erwartung, George mit seinem Filzhut und seiner Pfeife unten im Garten stehen zu sehen. Doch Garten und Straße waren menschenleer. Aus dem Nieselregen war Dauerregen geworden, und der hatte die Menschen von der Straße vertrieben. Wahrscheinlich führte das plötzliche Nachlassen meiner inneren Anspannung nach Daisys Freispruch dazu, daß sich lange Zeit unterdrückte Bilder ihren Weg in mein Gehirn bahnten. Als erstes sah ich Thirst gegenüber von meinem Haus auf der Straße liegen, ein kleines, schwarzes Loch im Kopf. Dieses Bild war irgendwie realistisch, denn seine Kleider waren vom Regen durchweicht – anders als in der Nacht, in der ich ihn umgebracht hatte. Ich schloß die Augen, und als ich sie wieder öffnete, war er verschwunden. Ich zitterte.
    Ich wußte, was nicht stimmte mit den Aufzeichnungen, die Daisy gerade so aufmerksam las. Wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich einen Bericht geschrieben, der die Struktur all dessen wiedergab, was zu seinem Tod geführt hatte. Ich hätte mit den Telefonanrufen angefangen.
    Der erste kam gut zwölf Monate vor seinem Tod. Natürlich hatte ich im Lauf der Jahre hin und wieder von ihm gehört, wie die meisten Leute, die irgendwie mit Strafrecht zu tun hatten. Nach einer langen Zeit der Armut, in der er versuchte, ehrlich zu bleiben, wurde er schließlich zu einem jener Ganoven, die die dekadenten Angehörigen der High Society betören. Er beschaffte erstklassige Drogen, und jede kokainschnüffelnde Debütantin prahlte damit, ihn zu kennen. Manchmal war er in den Klatschspalten der Illustrierten mit Smoking auf den Partys reicher Rockstars oder junger Aristokraten zu sehen.
    Eine Zeitlang wurde er als Manager eines berühmten Popstars gehandelt, doch alle wußten, was das eigentlich hieß. Manche munkelten, er sei unermeßlich reich. Andere tuschelten, er sei ständig abgebrannt. Er liebte teure Autos – besonders Jaguars –, und die Polizei nahm ihm wiederholt den Führerschein ab, nachdem er in der Nacht durch Knightsbridge und Kensington gerast war. In vielen Drogenprozessen, die ich für George übernahm, tauchte auch Thirsts Name im Hintergrund auf, als Schatten hinter den Kulissen.
    Wenn ich ihn mir überhaupt als Person vorstellte, dann nur mit einem schadenfrohen Grinsen auf den Lippen. Auf seine Art hatte er gewonnen. Er war reicher, extravaganter, glamouröser und fuhr teurere Wagen. Und schlimmer noch: Er hatte mir die Frau ausgespannt. Mich tröstete lediglich, daß er selbst nun zum Klischee der englischen Gesellschaft geworden war – der gutaussehende Gangster aus der Arbeiterschicht, der den gefallenen Engeln Drogen und Sex verkaufte.
    Und dann rief er mich völlig überraschend an.
    Natürlich war es sehr früh am Morgen, und ich meinte zuerst, es wäre ein Solicitor, der mir noch eine wichtige Information für das Verfahren zukommen lassen wollte, das am nächsten Morgen beginnen sollte. Am meisten verblüffte mich seine Stimme. Sie war merkwürdig flach – angeblich passiert das oft, wenn Menschen versuchen, ihren Akzent zu verändern. Sogar während seiner Bildungsphase hatte ich gern seine Cockney-Vokale gehört. Doch diese Stimme war ein blutleerer Schatten ihres früheren Selbst. Als ich endlich merkte, wer da sprach, stellte ich zu meiner Überraschung fest, daß es mich freute, ihn zu hören.
    Einen Augenblick lang vergaß ich meine Ressentiments und ließ mich auf die exotischen Verheißungen ein, die seiner Person immer anhafteten. Mein Leben war in letzter Zeit ziemlich langweilig gewesen. Und außerdem schuldete er mir nichts – nicht einmal Höflichkeit. Ich streckte die Beine

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