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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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aufgelegt.
    Nach diesen beiden Anrufen meldete er sich ein paar Monate lang regelmäßig. Er wählte meine Nummer immer dann, wenn er total bedröhnt war, und schüttete mir sein Herz aus. Ungefähr eine Woche später erinnerte er sich dann an den Anruf und meldete sich erneut, diesmal, um herauszufinden, was er mir erzählt hatte. Jedesmal wieder sagte er, er sei in Schwierigkeiten. Ich ermutigte ihn nicht zu diesen Anrufen, aber ich verbot sie ihm auch nicht; seine rätselhaften Monologe mitten in der Nacht brachten eine neue Dimension in mein trübes Junggesellendasein.
    Wenn ich so zurückblicke, wird mir klar, daß wir uns wie zwei ausgesprochen zurückhaltende Tänzer Millimeter für Millimeter einander näherten. Es dauerte vier oder fünf Monate, bis wir uns dann tatsächlich trafen. Wieder war es spät in der Nacht, und er stand, völlig benebelt von den Drogen, die er genommen hatte, vor meiner Tür. Ich habe keinerlei rationale Erklärung für die Tatsache, daß ich ihn ohne große Diskussion hereinließ. Wahrscheinlich hatte ich mich inzwischen mit jener angespannten, körperlosen nächtlichen Stimme identifiziert.
    Sein Besuch war so etwas wie eine Antiklimax. offenbar hatte ich erwartet, daß er beeindruckt wäre, doch er wirkte enttäuscht. Anscheinend entsprachen meine Möbel nicht dem Standard, den er mittlerweile gewöhnt war. Das Silber und die Kristallgläser, die ich mein eigen nannte, waren in seinen Augen minderwertig. Und auch teure Reproduktionen mochte er nicht. Inmitten seiner weitschweifenden Ausführungen – einer Mischung aus Reue, Angeberei und Angst – erklärte er mir, er kenne einen Mann, der kurze Zeit das Original der Sonnenblumen von van Gogh besessen habe. Vier oder fünf Persönlichkeiten mühten sich gleichzeitig ab, Besitz von seinem Körper zu ergreifen – der zwar ein bißchen fülliger als vor elf Jahren, aber immer noch beeindruckend war. Eine davon war ein neureicher Snob. Eine andere behauptete, als er ging, daß ich der einzige Mensch auf der Welt sei, den er je wirklich geliebt habe.
    »Wahrscheinlich hast du das allen Jungs erzählt«, sagte ich auf der Schwelle. Er kicherte und umarmte mich kurz, bevor er zu seinem Wagen ging, einem erstaunlich bescheidenen Mini. Ich fragte mich, ob er ihn gestohlen hatte.
     
    Sein Besuch bei mir markierte offenbar so etwas wie einen Höhepunkt in unserem dance macabre , denn es dauerte mindestens zwei Monate, bis ich wieder von ihm hörte. In dieser Zeit fing ich etwas mit einer jungen Frau an, der letzten in einer Reihe von Zufallsbekanntschaften. Ironischerweise hätte sie noch die größten Chancen für eine lebenslange Beziehung mit mir gehabt, wenn sie nicht gar so scharf darauf gewesen wäre, eine Familie zu gründen.
    Sie war Mitte Dreißig und beschrieb ihr Singledasein als Folge ihres ausgeprägten Feminismus in ihrer Jugend. Mit erstaunlicher Ehrlichkeit erklärte sie mir, daß die eingehendere Betrachtung der großen Ödnis Freiheit sie dazu getrieben hatte, sich nach baldmöglicher wirtschaftlicher Abhängigkeit umzusehen, in der sie in Frieden und Sicherheit Kinder bekommen konnte. Ihre Offenheit gefiel mir, und wir sprachen ziemlich lange über den Prozeß, durch den ich, ohne es zu merken, aus einem politisch inakzeptablen Menschen zu einer guten Partie geworden war.
    Wie zwei Wissenschaftler verglichen wir unsere Notizen über die weniger bekannten Aspekte der Promiskuität. Sie stellte eine Möglichkeit dar, Freunde zu gewinnen, sagten wir beide. Irgendwie konnte man jemandem, mit dem man nicht im Bett gewesen war, nicht so ganz vertrauen. Kurze Zeit erfreute ich mich an einem Mittelding aus Sex und Freundschaft und einem Zustand, in dem der alberne Gedanke an Leidenschaft so etwas wie ein emotionales Spielzeug war, über das man geistig hinausgewachsen war.
    Dann rief Thirst an und verursachte ungewollt den Streit, der zu unserer Trennung führte. Wieder einmal klingelte das Telefon mitten in der Nacht, und sie ging ran, bevor ich den Hörer abnehmen konnte. Als ich dann schließlich am Apparat war, hatte er bereits aufgelegt.
    »Du hättest mich rangehen lassen sollen«, sagte ich.
    »Warum? Wer ist Daisy? Der Typ hat offenbar gedacht, ich bin diese Daisy. Dann hat er aufgelegt. Ein Mann – ein Freund der Familie?«
    Es war nicht ihre vorübergehende Eifersucht, die zum Ende unserer Beziehung führte, sondern all das, was der Name »Daisy« heraufbeschwor. Wie ein Zauberwort war er in der Lage, innerhalb

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