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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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eines Augenblicks die Begeisterung, die ich mir mühsam für die junge Frau in meinem Bett erarbeitet hatte, zu zerstören. Der Zwischenfall bewies genau das, was er mir bereits gesagt hatte: daß Daisy und er nicht mehr zusammen waren. Die Hoffnung erwachte in mir zu neuem Leben.
    Als er das nächste Mal anrief, war ich wieder allein. Diesmal klang er eher betrunken als stoned.
    »Neulich nacht – das war Daisy, stimmt’s?«
    »Tja«, sagte ich, obwohl ihre Stimme praktisch keinerlei Ähnlichkeit mit der von Daisy hatte. Zweifellos war sein benebelter Zustand für diese Verwechslung verantwortlich.
    Er schwieg ziemlich lange. »Ich hab’ ihr gesagt, wenn sie jemals zu dir zurückgeht, bring’ ich sie um. Und dich auch.«
    »Oliver, bist du nicht ein bißchen zu alt für solches Gefasel?«
    Wieder Schweigen. »Yeah, da könntest du recht haben, mein Alter. Aber ich muß trotzdem sagen, daß es weh tut. Albern, was? Eigentlich will ich sie nicht, aber ich halt’s auch nicht aus, wenn du sie hast. Der Gedanke daran, daß ihr zwei glücklich bis an euer Lebensende zusammen seid und euch über den armen Oliver, den dummen Oliver, unterhaltet, der in den Scrubs schmort und sich von Negerschwänzen und fetten Iren bumsen lassen muß – das ist zum Kotzen. Nein, ich lüge. Ich sag’ dir, was ich wirklich will: Ich möchte sterben.«
    Jetzt war es an mir zu schweigen. Nach einer Weile legte er auf, aber sein Anruf war ein Zeichen dafür, daß er den Dialog wiederaufnehmen wollte. Er rief mich von da an ungefähr einmal die Woche an, manchmal betrunken oder stoned, manchmal auch nervös und nüchtern. Zu seinen früheren Klagen darüber, daß er sich in Schwierigkeiten befinde, und seinem Geständnis, er denke oft an mich, kam jetzt noch seine Sorge um Daisy und mich. Ich unternahm keinen Versuch, ihn von seinen Qualen zu befreien.
    Das nächste Mal sah ich ihn in der Nacht seines Todes wieder.
     
    Ich betrachtete Daisy, die den Bildschirm des Computers anstarrte. Die Art und Weise, wie ich mein Bekenntnis formuliert hatte, war mir jetzt peinlich; es steckte so voller »George hier« und »George da«, daß es mir widerlich rührselig vorkam. Was dachte sie? Würde Thirst sich auch noch im Tod zwischen uns drängen? Ende des zwanzigsten Jahrhunderts kann man niemanden umbringen, ohne daß man sich Gedanken über den Preis macht, den man sein Leben lang dafür bezahlt, das kann ich Ihnen versichern. Dabei geht es weniger um Schuld, sondern eher um die Tatsache, daß man etwas getan hat, was in den üblichen Erfahrungen des modernen Lebens nicht vorgesehen ist.
    Ich ging hinüber auf die andere Seite des Zimmers und stellte mich hinter sie. Die letzten Absätze meines Briefes erschienen auf dem Bildschirm. Sie beschrieben die Nacht weit weniger detailliert, als sie es verdient gehabt hätte. Nur meine Erinnerung verlieh den Vorfällen ihre Farbe. Ich wandte den Blick vom Bildschirm ab, während sie fasziniert darauf starrte.
     
    Auch das letzte Mal weckte er mich wieder in den frühen Morgenstunden auf. Ich öffnete die Tür, weil es kaum jemand anders sein konnte als er – und trat einen Schritt zurück. Er hatte in den letzten Monaten abgenommen und sah in der Dunkelheit jünger aus. Ich hatte sogar das Gefühl, daß er wieder so wie früher grinste. In der Hand hielt er eine Waffe.
    Es war eine Kleinkaliberpistole, mit der er auf mich zielte.
    »Du zielst mit einer Waffe auf mich, Oliver.«
    Er betrachtete sie mit einem merkwürdigen Blick, als sei sie erst vor kurzem ganz zufällig dorthin gewandert.
    »Yeah. Für mich ist das die Waffe von Daisy. Sie hat sie mir von Zeit zu Zeit geklaut und damit bei so ’n paar Lesben irgendwo in Suffolk auf dem Schießplatz geübt. Sie dachte, ich weiß es nicht. Ich hab’ immer drüber lachen müssen.«
    Ich merkte, daß er wieder unter Drogen stand oder sich zumindest in einem tranceähnlichen Zustand befand.
    Er sah nachdenklich aus. »Ich möchte gern ’ne Spritztour mit dir machen – mit deinem Wagen. Ich hab’ gehört, du hast ’nen hübschen Jaguar.«
    »Ich bin nicht angezogen, Oliver«, sagte ich mit Blick auf meinen Morgenmantel.
    »Na schön. Dann zieh dich an. Ich schau’ dir zu.«
    Er folgte mir ins Haus und hinauf in mein Schlafzimmer. Plötzlich mußte ich ausgerechnet an den kleinen Bücherschrank mit den Glastüren denken, in dem sich die Bücher meiner Mutter befanden. Die Vorstellung, daß ich ihn vielleicht nie wiedersehen würde, verlieh ihm

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