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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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. Ich merkte es, wenn sie mich anschaute, und erwiderte ihr spöttisches Lächeln. Wir hatten uns über Daten und Termine unterhalten und waren zu dem Schluß gekommen, daß sie – falls überhaupt – am Abend zuvor empfangen hatte. Bis dahin hatte ich die Behauptungen der Frauen, »so etwas merke man«, nie ernst genommen.
    »Fertig. Möchtest du eine Tasse Tee?« Sie legte das Hemd neben sich aufs Sofa.
    »Wie zuvorkommend.«
    »Ich weiß – aber schließlich hast du heute nacht auch eine Menge Protein verloren. Du bist sicher noch ganz schwach.«
    »Stimmt. Trotzdem würde ich dich gern von hinten streicheln, während du den Tee machst.«
    »In deinem Alter? Sag mal, hast du was an deinem Körper manipulieren lassen, ohne mir davon zu erzählen? Machen die jetzt nicht schon Sachen mit Affendrüsen? Wie kannst du bloß nach heute nacht schon wieder?«
    »Danke fürs Kompliment.«
    Sie beugte sich über mich und küßte mich auf die Stirn. »Toast?«
    »Wunderbar.«
    Da klingelte es.
    »Ich geh’ hin«, sagte Daisy.
    »Nein, ich mach’ das schon. Koch du mal den Tee.«
    In der Hoffnung, daß der Besucher nicht einer der pingeligeren Solicitors sein würde – ich trug eine Jeans und einen Pullover, aber kein Hemd –, ging ich an die Tür. George Holmes stand auf der Schwelle und drehte seinen Filzhut zwischen den Fingern. Zwei junge Uniformierte leisteten ihm mit unsicherem Gesichtsausdruck Gesellschaft.
    »Ich bin gekommen, um Ihre amerikanische Freundin wegen Mordes an ihrem Ehemann festzunehmen«, sagte er. Er klang nervös, sogar ein wenig verängstigt.

TEIL ZWEI
     

[8]
    »M-m-m-möchtest du einen Hit-Hitchcockfilm mit mir anschauen, im Filmklub?« Das war das erste, was ich zu ihr sagte. Ich konnte es kaum glauben, daß ich den Mumm hatte, sie zu fragen, und noch weniger begriff ich, daß sie ja sagte.
    Wir studierten beide in Warwick, einer der neuen Universitäten, die damals wegen ihrer guten Professoren und radikalen Ansichten einen guten Ruf genossen: Links war gut, rechts war schlecht; Rock war besser als Mozart; Kino war besser als Theater; Drogen waren besser als Alkohol. Che Guevara, Bertrand Russell und Mick Jagger – sie waren Helden, vielleicht, weil sie alle lange Haare hatten, die sich auf Posters gut machten. Der Kapitalismus würde schon bald in sich zusammenbrechen. Kriminelle waren Opfer eines ungerechten politischen Systems. Alles war besser, als alt zu werden. Sie war zwanzig, ich einundzwanzig. Ich hatte sie eine ganze Woche lang beobachtet, bis ich den Mut aufbrachte, sie einzuladen.
    Wir waren in Vertigo ; es gibt darin eine ergreifende Szene, in der Kim Novak zu James Stewart sagt: »Scottie, ich bin nicht verrückt – und ich will nicht sterben!« Ich erinnere mich an diese Dialogstelle, weil Daisy in diesem Augenblick ihre Hand auf meinen Oberschenkel legte. Ich dachte, es geschah aufgrund ihrer Bewunderung für Hitchcocks Können, aber ich war mir nicht sicher. Nach dem Film drückte ich ihr noch einen sehr hastigen Kuß auf die Wange und wünschte ihr mit einem Stottern, das die leichte Berührung ihrer Hand auf meinem Gesicht noch verstärkte, eine gute Nacht.
    In jener Nacht schlief ich nicht, und am nächsten Tag verfiel ich in eine Depression. Ich wußte, daß ich mich beharrlich weiterhin um sie bemühen müßte und mich schon bald als ihrer unwürdig erweisen würde. Sie war so etwas wie eine Oberschichtamerikanerin (aus New Haven, Connecticut, wo immer das sein mochte) und, so fürchtete ich, trotz ihres Namens für mich unerreichbar. Doch so leicht würde ich mich nicht geschlagen geben, denn sie zog mich nicht nur körperlich an, sie faszinierte mich. Sogar ihr Akzent war ein Rätsel. Ich wußte genug über den Kulturkreis, aus dem sie kam, um zu merken, daß sie aus einer betuchten Familie stammte, doch bisweilen klang mir ihr Akzent eher nach den Straßen von Harlem. Sie fluchte viel (das taten wir damals alle), doch wenn sie ein Wort wie »Scheiße« aussprach, klang das ganz besonders authentisch: Man konnte es fast schmecken.
    Sie rief mich an jenem Abend um acht an und fragte mich, ob ich im Speisesaal des Studentinnenwohnheims mit ihr essen wolle. Ich erwähnte nichts von den Würstchen, Eiern, Bohnen und Pommes, die ich eine Stunde zuvor gegessen hatte, und sagte stotternd zu.
    Der Speisesaal befand sich am Ende eines Flurs, von dem die einzelnen Zimmer der Studentinnen, jeweils zwei in einem Raum, abgingen. Ihre Sprecherin hatte für Daisy eine

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