Eine private Affaere
schön; das Leben kann nicht so sein. Ich kriege Angst, daß was schiefgehen könnte. Bitte, sag mir, daß nichts schiefgehen wird.«
Ich schluckte. »Es wird nichts schiefgehen.«
»Aber es ist ganz schön schwer zu begreifen – daß unser Glück die Folge von jemandes Tod ist. Das ist wie in so einem amerikanischen Krimi – eine Kugel an der richtigen Stelle löst alle Probleme. Ich hätte gedacht, daß ich mein ganzes restliches Leben Schuldgefühle haben würde.«
Der Sex wurde zu einem Zufluchtsort, einer warmen Höhle, in die wir krochen, wenn wir uns von den Anstrengungen erholen wollten, die es uns kostete, die Gedanken des anderen zu teilen. Zumindest bei der Liebe waren wir in der gleichen Stimmung.
»Wir schlafen jetzt öfter miteinander als damals.«
»Ich muß ja auch ganz schön viel nachholen«, sagte ich.
»Ich kann’s nicht fassen, daß du die ganzen Jahre keine Frau gehabt hast. Das ist richtig …«
»Morbid?«
»Darling, halt mir jetzt bitte keinen Vortrag über den Verlust der Integrität im modernen Leben. Weißt du, ich hab’ auch seit Jahren keinen Mann mehr gehabt.«
Es klang merkwürdig, wie sie das sagte. »Heißt das, daß du mir jetzt gleich von deinen Versuchen als Lesbierin erzählen wirst?«
Sie lächelte. »Armer Jimmy, du kämpfst wirklich auf verlorenem Posten gegen das zwanzigste Jahrhundert. Weißt du, es ist nicht alles schlecht. Ja, ich habe tatsächlich die Liebe mit einer Frau ausprobiert. Ich habe Liebe gebraucht und war unfähig, einem Mann zu vertrauen, da habe ich es eben mit einer Frau versucht. Was dumm war – ich meine, anzunehmen, daß die Frau sozusagen genetisch verläßlicher ist als der Mann. Ich habe herausgefunden, daß Menschen, die sich selbst als nicht vollständig betrachten, einen früher oder später betrügen – sie haben keine andere Wahl. Und weil die meisten von uns ihre Ganzheit noch nicht gefunden haben, betrügen auch fast alle. Außerdem habe ich festgestellt, daß ich unheilbar heterosexuell bin. Ich brauche deinen Schwanz einfach, also sei bitte nicht beleidigt – früher ist er nämlich immer zusammengeschrumpelt, wenn du beleidigt warst.«
»Ich bin nicht beleidigt, wirklich.«
»Wenn es dir was hilft, gestehe ich dir was.«
»Und das wäre?«
Sie grinste wieder wie früher. »Schmeckt schrecklich.«
Damit sie nicht dachte, ich hätte mich überhaupt nicht mit Promiskuität, Mystizismus, Drogen und kalifornischen Methoden der Selbsterfahrung abgegeben, raffte ich mich nun meinerseits zu einem Geständnis auf.
»Natürlich hat’s andere Frauen gegeben. Ich hab’ bloß gesagt, daß ich nie eine andere Frau geliebt habe. Das heißt nicht, daß ich nie mit einer anderen geschlafen hätte.«
»Erzähl mir davon. Das interessiert mich.«
Ich erzählte es ihr und schmückte alles ein bißchen aus. Fast jährlich hatte ich eine dreimonatige Affäre mit einer Frau gehabt, die meine Gefühlskälte als Herausforderung betrachtete. Es sprach für sich, wie oft diese Frauen mich mit einer Wand oder etwas Ähnlichem verglichen hatten.
»Im Grunde genommen war es immer der gleiche Typ – heiße Bienen an der Oberfläche, aber tief drinnen ganz verrückt nach Liebe und Babys.«
»Sie tun mir alle leid. Man denke sich nur, daß sich jemand in der Phase in dich verliebt hat. Ich weiß, wie das ist: Man kommt sich vor wie ein reifer Pfirsich, der gegen …«
»Nicht.«
»Aber sei mal ehrlich, war wirklich keine dabei, die dich ein bißchen mehr interessiert hat?«
»Na ja, vielleicht schon. Es gab da eine, ziemlich bald nach unserer Trennung. Sie ist nach Australien gegangen. Sie war sensibler als die anderen; als sie mich verlassen hat, hat sie gesagt: ›Ich liebe dich, aber nicht genug, um die nächsten zehn Jahre mit dem Versuch zu verbringen, dich zu heilen.‹ Das hat den Nagel auf den Kopf getroffen.«
»Willst du meine Abenteuer auch hören?«
»Nein, danke.«
Ich wußte auch so, was sie getan hatte, und mit wem.
Ich hatte mich mehr verändert, als ich selbst gemerkt hatte, und das wurde uns beiden nach den ersten stürmischen Tagen der Leidenschaft klar. Unsere Körper waren beispielsweise nicht mehr zu den Exzessen in der Lage, zu denen wir sie noch vor zehn Jahren treiben konnten. Ich bewunderte ihre weichen Brüste und samtenen Schenkel noch immer, aber sie waren nicht mehr der Inbegriff alles Schönen. Busen und Po waren nach wie vor hübsch anzusehen, doch sie hingen ein wenig durch. Und ihre Oberschenkel
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