Eine private Affaere
wie lange eine Frau es ohne Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit bei gleichzeitiger Verachtung aushält. Er hat seine Antwort bekommen – keine besonders ausführliche. Sie hatte ihren ersten Nervenzusammenbruch kurz nach meiner Geburt. Sie ist jetzt hier in England in einer psychiatrischen Klinik. Nein, nein, sie ist nicht krank. Er hat nur ihr Selbstwertgefühl zerstört; sie bringt nicht mehr den Mut auf, am Morgen aufzustehen.« Ein Sturm in ihrem Innern verzerrte ihren Mund. »Sie lebt hier von der Fürsorge. Kannst du dir das vorstellen? Das Arschloch hat ihr einfach alles Geld gestrichen.«
»Deshalb bist du also in England – damit du bei ihr sein kannst?«
»Und um ihm zu entkommen. Er ruft mich an und probiert seine schlauen kleinen Spielchen, die er sich ausgedacht hat, an mir aus. Er versucht, mich wieder in die Staaten zurückzulocken. Es paßt ihm nicht, daß ich genauso clever bin wie er, sogar cleverer. Ich weiß alles, was er weiß, und ich bin zu dem Schluß gekommen, daß ich ihn zurückweisen muß, auch seinen Namen.«
»Dann ist Smith der Name deiner Mutter?«
»Genau. Ich habe ihn offiziell umändern lassen, als ich hierher gekommen bin. Ich bin nicht mehr die Tochter von Sebastian J. F. Hawkley, dem Psychologieprofessor, zwanghaften Aufsteiger und Sadisten.«
»Wahrscheinlich würde er mich nicht gutheißen.«
»Ich würde keinen Mann anrühren, den er gutheißen würde.«
[9]
Ganz allmählich begriff ich, was mich für sie attraktiv machte. Schließlich war ich nicht gerade der Fang unter den männlichen Studenten. Es gab eine ganze Menge Jungs, die sich laut Gedanken darüber machten, wieso ich solches Glück hatte, denn sie hätte leicht den nächstjährigen Young Businessman of the Year oder den diesjährigen Studentensprecher haben können. Aber sie hätten niemals die Mißbilligung hervorgerufen, mit der ich zu rechnen hatte, falls ich jemals den karrieresüchtigen Professor kennenlernen sollte. Ich stotterte, sprach mit unverfälschtem Cockney-Akzent, fühlte mich ständig angegriffen und reagierte schroff und arrogant. Es war offensichtlich, daß ich nur durch die diversen Reformen der Linken zu meiner akademischen Bildung gekommen war, denn sie hatten mir zu einem ziemlich großen Anteil an den Stipendien für mittellose Begabte verholten. Einer meiner Kommilitonen hatte einmal gesagt, ich sei sozusagen der Prototyp des Nutznießers solcher Reformen gewesen: Mein Vater war Zimmermann und häufig arbeitslos, und meine Mutter wusch die Wäsche anderer Leute, um sich ein Zubrot zu verdienen. Wir wohnten in einer Sozialwohnung in Southeast London, nur fünf Minuten von den Docks entfernt. Es gibt nichts Einzigartigeres als ein personifiziertes Klischee. Für Daisy wäre eigentlich nur noch ein schwarzer Analphabet mit Vorstrafenregister eine bessere Partie gewesen. Allerdings war ich nicht auf den Vorschlag vorbereitet, den sie mir ungefähr eine Woche, nachdem wir das erste Mal miteinander geschlafen hatten, machte.
Wir lagen nackt im Bett – das kam ziemlich oft vor –, und sie streichelte mich.
»Jimmy, liebst du mich wirklich?«
»Wie der Rest der Welt kannst du sehen, daß ich hoffnungslos und wahnsinnig verrückt nach dir bin.«
»Würdest du dann, wenn ich dich ganz nett drum bitte, etwas für mich tun, was mir wichtig ist?«
»Klar. Alles.«
»Ich möchte, daß du mir dabei hilfst, meinen Vater umzubringen.«
Sie nahm die Hand von meinem Penis und drehte meinen Kopf so, daß ich sie ansehen mußte. Soweit ich das beurteilen kann, klang mein Lachen hohl.
»Natürlich meine ich das nicht so. Vielleicht bin ich ziemlich abgefuckt, aber dumm bin ich nicht.« Sie drehte sich um und kniete sich mir gegenüber hin. »Ich möchte genau das tun, wovon er und jeder andere Psychiater mir abraten würde. Ich habe vor, ihn zu unterdrücken, all das aus mir herauszuschneiden, was von ihm in mir steckt – ich möchte ihn wegamputieren, so tun, als hätte es ihn nie gegeben. Psychologen würden das als Ersatzmord bezeichnen. Und sie hätten recht.«
»Und was willst du an die leere Stelle setzen?«
»Dich. Nicht bloß dein Herz und deinen Schwanz, sondern deine gesamte Kultur. Weil er Amerikaner ist, möchte ich, daß du mir dabei hilfst, Engländerin zu werden. Ich möchte die Frau werden, die ich wäre, wenn Mom mich hier aufgezogen hätte, wenn es ihn nie gegeben hätte.«
Ich kratzte mich am Kopf. »Wo soll ich da anfangen?«
»Bei meinem Akzent. Der ist euch Briten
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