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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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aufspringen. Der Chief und seine beiden Beisitzer mit ihren theatralischen Roben und Perücken marschierten forschen Schrittes das Podium entlang. Wir verneigten uns alle und setzten uns wieder.
    »Ja?« sagte der Chief barsch.
    »Die Queen gegen …«, rief der Gerichtsdiener. Einer der Anwälte in Seidenrobe erhob sich und begann seinen Fall darzulegen. Der Chief wartete gereizt ungefähr eine Minute, dann unterbrach er ihn.
    »Wollen Sie damit sagen, Mr. Cruikshank …« In ungläubigem Ton wiederholte der Chief das, was der Barrister gesagt hatte, doch aus seinen Mund klang es absurd.
    »Er hat verdammt schlechte Laune heute«, sagte Beaufort.
    Während die anderen Queen’s Counsels ihre Fälle vortrugen, widmete sich Beaufort den Büchern, die wir mitgebracht und die ich sorgfältig an den relevanten Stellen markiert hatte. Er konzentrierte sich ungefähr vierzig Minuten lang ausschließlich auf unsere Sache, dann entspannte er sich und verfolgte wieder das, was die anderen vorbrachten.
    Als ungefähr die Hälfte des Vormittags verstrichen war, sah ich zufällig hinauf zur Besuchergalerie und entdeckte dort Daisy. Wir hatten uns am Abend zuvor furchtbar gestritten, über ganz ähnliche Dinge wie nach dem Treffen mit Hogg. Diesmal hatte ich mich als Hüter der Moral durchgesetzt: Schließlich vertrat ich am nächsten Tag Thirst in seiner Berufung, oder? Daisy war an jenem Morgen zerknirschter als gewöhnlich gewesen. Jetzt fielen ihr die blonden Haare wirr über ihren riesigen, schmutzigen Pullover, und sie winkte mir fröhlich zu. Zumindest sie als Amerikanerin ließ sich nicht von britischem Pomp einschüchtern. Ich schrieb ihr hastig einen Zettel: Tut mir leid, daß wir uns nicht zum Mittagessen treffen können. Ich war mir sicher, daß Beaufort über den Fall reden wollte, wenn er bis dahin noch nicht verhandelt war. Der Clerk meines Solicitor brachte ihr den Zettel und kam mit einer Antwort zurück. In ihrer großzügigen Handschrift hatte sie darauf geschrieben:
    Jimmy, mein Schatz, ich mußte einfach kommen und Dich an Deinem großen Tag sehen. Es tut mir leid wegen gestern abend, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Wahrscheinlich hing es damit zusammen, daß ich meine Tage gekriegt habe … Ich kann verstehen, daß Dir Deine Karriere wichtig ist und alles, und ich liebe Dich sehr. Viel Glück bei Deinem Fall, ich weiß, daß Du gewinnst. Alles Liebe, Deine Daisy. P. S.: Und außerdem bist Du toll im Bett.
    Ich legte den Zettel, den sie so raffiniert gefaltet hatte, damit niemand außer mir ihn lesen konnte, wieder zusammen und steckte ihn in eine Innentasche, als der Gerichtsdiener rief: »Die Queen gegen Thirst.«
    Die innere Tür des Metallkäfigs ging auf, und Thirst trat zwischen zwei stämmigen Wärtern hinein.
    Ich wußte, daß ab dem Augenblick, in dem Thirst den Käfig betrat, Daisys Blick auf ihm ruhte. Ich spürte ihre Faszination. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, das Schicksal von uns dreien in der Hand zu halten. Wenn ich die Berufung verlor, würde das Tier auf Nimmerwiedersehen im Käfig verschwinden. Aber es war zu spät, denn Beauforts analytischer Verstand hatte die Sache übernommen – und außerdem glaubte ich nicht an Vorahnungen.
    »Euer Ehren …«, begann Beaufort. Ich lauschte voller Bewunderung, wie elegant er meine Argumentation vortrug. Abwechselnd lehnte er sich gegen die Bank in seinem Rücken oder drehte sich zur Seite, um den Fuß auf seine eigene Bank zu stellen. Er redete mit dem Chief wie mit seinesgleichen. So, wie er die Sache vorbrachte, konnte man fast meinen, daß keinerlei Zweifel an ihrem Ausgang bestand. Der Chief schien amüsiert.
    »Aber wenn ich Sie recht verstehe, Mr. Beaufort, wollen Sie nicht sagen, daß Ihr Mandant den Betrug nicht beabsichtigt hat?«
    »Ich behaupte, daß es keinen Betrug gegeben hat, Euer Ehren. Dieser Scheck kann – etwas Ähnliches ist mir in vergleichbaren Fällen noch nicht begegnet – nie gültig gewesen sein, weil der Geschäftsinhaber tatsächlich Kenntnis hatte oder wissen mußte, daß der Scheck angenommen worden war. Es gab keine Anklage wegen versuchten Scheckbetrugs.«
    »Wurde dieses Argument dem Gericht in erster Instanz vorgetragen?«
    »Darauf lasse ich meinen sachkundigen Junior antworten.« Er setzte sich unvermittelt hin und begann, seine Unterlagen durchzugehen, als habe er nichts mehr mit dem Fall zu tun. Ich erhob mich mit einem Riesenloch im Bauch.
    »Ja, das wurde es, Euer Ehren.«
    »Und wo

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