Eine private Affaere
finden wir das im Protokoll?« Plötzlich war der Chief wieder wütend. Ich suchte eine schreckliche Minute lang nach der Stelle und fand sie schließlich. Die drei Weisen warfen argwöhnisch einen Blick auf ihre Abschriften. Ich spürte, wie Thirst und Daisy mich anstarrten.
»Aber es wurde den Geschworenen nicht in der Zusammenfassung des Richters vorgelegt?«
»Nein, Euer Ehren.«
Der Chief beriet sich flüsternd zuerst mit dem Richter zu seiner Linken, dann mit dem zu seiner Rechten.
»Nun gut, Mr …. äh … Knight.«
Beaufort erhob sich sofort und legte den Fall weiter dar, während ich mich erleichtert wieder hinsetzte. Ich sah verstohlen zur Besuchergalerie hoch. Daisy hob grinsend beide Daumen in Siegergeste. Vorne im Metallkäfig saß Thirst, die Hände auf die Knie gestützt, die Ellbogen nach außen, die Beine gespreizt, nach vorne gebeugt.
Beaufort setzte sich kurz vor eins wieder auf seinen Platz. Der Chief sagte, sie würden die Sache in der Mittagspause beraten, und wir sprangen alle auf, als die Weisen hintereinander hinausgingen. Die Wärter brachten Thirst zu seinem Mittagessen in die Zelle.
»Ich möchte mich noch über ein paar Punkte mit Ihnen unterhalten«, sagte Beaufort. Ich folgte ihm den Flur mit dem Marmorboden hinunter. Ich hatte Angst, daß Daisy hinter irgendeiner Ecke hervorspringen und Beaufort erklären könnte, wie toll ich im Bett sei, doch wir schafften es ohne Hinterhalt bis zur Fleet Street.
»Der Berufung wird stattgegeben«, erklärte uns der Chief nach dem Mittagessen.
Ich war noch jung genug, um mir meine Anerkennung nicht von Beaufort oder Thirst zu holen, sondern von der Besuchergalerie. Daisy strahlte mich an und signalisierte mir mit auffälligen Gesten, die alle Anwesenden sehen konnten, daß sie mich in ungefähr einer Stunde zu Hause erwarten würde.
Beaufort schickte mich zu Thirst, während er auf ein Glas Wein zu El Vino’s ging, das um drei zumachte.
Ich fühlte mich großartig. Es gibt nichts Grandioseres auf der Welt, als seine erste Berufung in einer Strafsache zu gewinnen. Dieses Gefühl, merkte ich, war völlig unabhängig von den moralischen Vorbehalten, die ich in letzter Zeit entwickelt hatte. Den stählernen Klauen des Systems ein schutzloses Leben entrissen zu haben, vermittelte mir ein Gefühl grenzenloser Macht, wie auch David es empfunden haben mußte. Ich wußte genau, was David damals mit seiner Freundin gemacht hatte, nachdem er mit Goliath fertig war. Meine Vorahnungen hatte ich völlig vergessen.
Ich verabschiedete mich so schnell wie möglich von Thirst, der mir erklärte, ich sei ein Genie, dann leistete ich mir ein Taxi nach Hause zu Daisy.
Vielleicht, so dachte ich, wäre ich vor ihr daheim, aber als ich dort eintraf, empfing sie mich strahlend, nackt und mit einer Flasche Champagner. Sie war höchst beeindruckt von meinem Sieg. Es bedeutete ihr viel, daß Thirst nun wahrscheinlich einen Monat oder so früher aus dem Gefängnis kam.
»Du hast heute etwas Unglaubliches geleistet, Jimmy. Stell dir vor, wie schrecklich es sein muß, wenn man jung ist und im Gefängnis. Ich glaube, ich würde das nicht aushalten. Ich würde sterben.«
Es war eine jener Gelegenheiten, bei denen der Geschlechtsakt schon fast eine heilige Dimension erreichte. Wie jeder gute Künstler brauchte Daisy dafür nur wenige Requisiten. Der Champagner lag im Waschbecken auf Eis, zwei saubere, glänzende Sektflöten warteten auf dem Tisch, und sie selbst hatte sich die Haare nach hinten gebürstet. Ihr Blick war zutiefst verletzlich, und ihr Bauch bebte, als ich ihn berührte. Sie brauchte mir nicht zu sagen, daß ich sanft sein sollte. Sie kam mit einem lauten Schrei, das Gesicht ungläubig verzerrt.
»Mein Gott, das war unglaublich.« Sie legte den Kopf auf meine Schulter und atmete tief durch. »Wow.«
Ich zog sie fester an mich. Sie schluckte; ein paar Tränen fielen auf meine Brust.
»Kann ich dir was ganz Persönliches sagen?«
»Natürlich«, antwortete ich.
»Das darfst du nie gegen mich verwenden – wenn du’s trotzdem machst, streite ich ab, es je gesagt zu haben.«
»Abgemacht.«
»Als ich dich vor Gericht gesehen habe, wie du diesen Oliver Thirst vor noch mehr Elend bewahrt hast – ich meine, wie effektiv du das gemacht hast –, und als ich dann daran gedacht habe, wie du mir gegenüber bist, die meiste Zeit so sanft und so ein guter Liebhaber, da habe ich plötzlich gemerkt, daß du als Mann vollkommen bist. Ich glaube nicht, daß
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