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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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und Harry Beaufort, der Queen’s Counsel, war von meinen Informationen abhängig. Der Termin war auf halb elf angesetzt, und um neun sah er sich die Unterlagen das erste Mal an.
    Beaufort war klein, offensiv, ungefähr fünfzig und hatte ein rotes Gesicht sowie einen Jähzorn, der alle einschüchterte. Ich hatte mich für ihn entschieden, weil er oft die Anklage vertrat und deshalb ziemlich wahrscheinlich die Achtung eines konservativen Gerichts erlangen würde. Er war nicht mit dem Scheck- und Wechselrecht vertraut und sagte ziemlich oft »Scheiße«, als ich versuchte, ihm den Fall zu erklären. Um halb zehn sagte er dann schließlich »kapiert«, und ich sah, wie sein stahlharter Verstand sich mit dem Fall zu beschäftigen begann.
    »Wir werden uns wohl mit unserem erlauchten Mandanten treffen müssen.«
    Wir zogen unsere Talare an und gingen über den Strand zu dem riesigen, palastartigen Gebäude, in dem sich das Gericht befand. Mit einem Aufzug gelangten wir in die unterirdischen Zellen.
    Thirst war als gewalttätig eingestuft worden, was bedeutete, daß eine Menge bullige Wärter um seine Zelle herumstanden. Sie kannten Beaufort und sagten voller Hochachtung »Sir« zu ihm. Seine zornige Stimme veranlaßte sie, die Tür schneller zu öffnen als gewöhnlich.
    Er und Thirst starrten einander von den entgegengesetzten Enden des gesellschaftlichen Spektrums an. Thirst saß in einem Winkel seiner Zelle und schien überhaupt nicht nervös zu sein. Ich wußte inzwischen genug über Kriminelle, um zu sehen, daß er damit rechnete, die Berufung zu verlieren. Nur die Hoffnung ruft Anspannung hervor.
    »Und, wie sieht Ihre Geschichte aus?« fragte Beaufort.
    »Keine Geschichte. Mr. Knight hatte ein paar gute Einfälle, da habe ich mir gedacht, ich könnte in die Berufung gehen.«
    »Das weiß ich. Warum, zum Teufel, glauben Sie, bin ich hier?«
    Thirst lächelte, fast scheu. Ich sah, daß Beaufort ihm gefiel.
    »Also noch mal: Wie sieht’s aus?«
    Thirst wirkte einen Moment lang nervös, als Beaufort ihn anstarrte. Ich hatte keine Ahnung, was los war, bis Thirst den Blick senkte.
    »Ich mach’ keine krummen Dinger mehr, Mr. Beaufort, wenn Sie und Mr. Knight mich da rausholen.«
    »Wenn wir Sie da rausholen, haben Sie das nur dem Genie da zu verdanken.« Dabei deutete er mit dem Daumen auf mich. »Mir ist das scheißegal, ob Sie weiter krumme Dinger drehen oder nicht. Wissen Sie überhaupt, wie viele Angeber wie Sie ich im Lauf der Jahre schon in dieser Zelle gesehen habe? Soll ich Ihnen was sagen? Für mich sehen sie alle gleich aus. Das wollte ich Ihnen sagen: Jeder kleine Angeber, der meint, er könnte mir was erzählen, ist für mich ungefähr so interessant wie ein Stück Hundescheiße. Genau das habt ihr nämlich aus eurem Leben gemacht – ein Stück Scheiße. Wenn Sie das nicht vergessen, nützt Ihnen das mehr als tausend Bewährungshelfer. Und was die Berufung angeht: Sie haben nicht die geringste Chance.«
    Er schwieg eine Weile, dann sagte er: »Es sei denn, der Richter hat gute Laune.«
    Thirsts Gesicht leuchtete vor Dankbarkeit auf. Beaufort hatte ihn völlig in der Hand, wenn es wirklich eine Chance gab.
    »Also …«, fing er an.
    »Also, dann beten Sie mal. Wir gehen jetzt rauf ins Gericht.«
    Der Chiefs Court in den Royal Courts of Justice gehört zu den wohl einschüchterndsten Inszenierungen einer theaterfanatischen Nation. Eichenterrassen fallen in einen Schacht ab, in dem bescheidene Anwälte zum Himmel flehen.
    Als wir eintraten, warteten drei leere rote Throne auf einem so hohen Podest, daß es gut und gerne ein anderes Stockwerk als das unsere hätte sein können – anderen, wichtigeren Geschäften gewidmet.
    Auf gleicher Höhe wie das Podium, verschämt an eine andere Wand geklammert, befand sich ein Metallkäfig mit einer Innentür, die durch unendliche Labyrinthe Anwälte hinunter in die sonnenlosen Zellen führte, aus denen wir gerade hochgestiegen waren. Es gehörte mit zu den Absichten der Viktorianer, daß der Blick, sobald das Hohe Gericht Platz genommen hatte, von den prächtigen Gestalten im Hermelin zu dem Insassen des Käfigs wanderte und wieder zurück.
    Beaufort saß in der Reihe vor mir, die für den Queen’s Counsel reserviert war. Er setzte ohne großes Aufhebens seine graue Perücke auf und lehnte sich auf der Bank zurück, auf der die anderen Queen’s Counsels zusammen mit uns auf ihren Fall warteten.
    Ein lautes Knallen wie von einer Peitsche ließ alle, auch Beaufort,

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