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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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her, seit wir das letzte Mal miteinander geschlafen haben.«
    Hinterher lag sie auf dem Rücken und starrte an die Decke.
    »Weißt du was? Dein Mandant hat ein außergewöhnliches Gesicht.«
    »Ja, ich hab’ mir schon gedacht, daß dir das auffallen würde.«
    »Erinnert mich an jemanden, den ich mal gekannt habe.«
    »Diesmal sicher nicht an deinen Vater, oder?«
    Sie lächelte. »Nein, nicht an den, sondern an Jay Katzo. Werd nicht gleich eifersüchtig, er war nie ein Liebhaber von mir. Jedenfalls nicht so, wie du denkst.«
    »Wie dann?«
    »Im letzten High-School-Jahr hat mein Vater mich noch ziemlich stark beeinflußt. Ich hab’ mit dem Gedanken gespielt, Psychologie zu machen wie er. Ich wollte praktische Erfahrungen in dem Beruf sammeln. Deswegen hat er sich dafür eingesetzt, daß ich eine Weile in dem Krankenhaus in Vermont arbeiten konnte, von dem ich dir erzählt habe. Ich war ungefähr drei Monate lang jedes Wochenende dort. Das Krankenhaus hat mich fasziniert. Ich hab’ mitgeholfen, die Medikamente vorzubereiten, mich mit den Psychiatern unterhalten, ein paar von den Patienten kennengelernt. Natürlich nicht die Katatoniker. Jay Katzo mußte sein ganzes Leben lang drinbleiben, ein Psychopath. Er war wegen ungefähr hundert Vergewaltigungen verurteilt worden. Seinerzeit haben die Ärzte ihn als risikolos eingestuft – ich glaube, er war damals Ende Dreißig –, und er hatte sich ein bißchen mit mir angefreundet. Natürlich haben die Schwestern auf ihn aufgepaßt wie die Schießhunde, aber er hat sich mir gegenüber immer korrekt verhalten und ›Miss Hawkley‹ zu mir gesagt. Er hat auch nie meine Titten oder meinen Arsch angestarrt wie die meisten Psychiater. Er hat ein falsches Gefühl der Sicherheit bei ihnen aufgebaut, und sie haben sehr auf die Medikamente vertraut, die sie ihm verabreichten. Eines Tages hat er mich dann plötzlich in eine der Gummizellen gestoßen, die Tür zugeschlagen und sich von innen dagegen gestemmt. Der Kerl war riesig, beinahe zwei Meter, und hat über hundert Kilo gewogen. Und ich hab’ mir vor Angst fast in die Hose gemacht. Dann hat er sich ausgezogen und mit der größten Erektion vor mir gestanden, die ich je gesehen habe. Wie bei einem Esel, kannst du dir das vorstellen?«
    »Nicht so ganz.«
    »Augenblick. Die Geschichte endet nicht so, wie du meinst. Ich war damals siebzehn und hatte solche Angst, daß ich nicht mal um Hilfe rufen konnte. Mein einziger Gedanke war: Gleich zerreißt mich das Riesending. Da fing er plötzlich zu reden an, mit tiefer Stimme, richtig unheimlich: ›Du bist hierhergekommen, um diese Botschaft mit nach Hause zu nehmen‹, sagte er. ›Du wolltest wissen, wie ein Mann aussieht, weil dein Vater dich in die Irre geführt hat. Er ist kein Mann, aber ich. Schau mich an.‹ Also schaute ich ihn an, aber er sagte: ›Nein, nicht meinen Schwanz, Süße. Schau mir in die Augen.‹ Ich hob ganz langsam den Blick, und dabei sah ich seinen Körper, wie fit er war. Und seine Augen waren tiefbraun und feurig, anders kann ich es nicht ausdrücken. Sein Gesicht strahlte soviel Energie aus, als hinge er an einer Hochspannungsleitung. Dieser nackte Mann war mehr als lebendig; sein ganzer Körper strahlte Energie aus. Und ich nickte, weil die Augen meines Vaters tot sind. Blau und tot. Und dieser Jay Katzo hat einfach nur gelacht, während die Pfleger versuchten, die Tür aufzukriegen. Ich hab’ seine Schreie gehört, als sie ihn geschlagen, und sein Ächzen, als sie ihm die Nadel in den Arm gerammt haben.« Sie streckte die Hand nach Haschisch und Zigarettenpapier aus, um sich einen Joint zu drehen. »Ich weiß nicht, seit damals überlege ich, ob der Mann zwölf Monate lang allein in einer Zelle verbracht hat, bloß um mir etwas zu sagen, was ich irgendwann erfahren mußte. Zwischen uns war so etwas wie ein geistiges Band. Er hat mich nicht mal berührt.«
    »Und sein Gesicht war wie das von Thirst?«
    »Fast genauso. Er war genauso animalisch. Als ob er ein zusätzliches männliches Chromosom hätte oder so. Und die gleichen braunen Augen.«
    »Meine Augen sind blau«, sagte ich.

[17]
    Hogg schickte uns eine besonders moderne Weihnachtskarte, auf der der christliche Aspekt heruntergespielt wurde, und Anfang des neuen Jahres eine Einladung. Ihm stehe im Februar, so schrieb er, ein Pfarrhaus in Essex zur Verfügung, da der Pfarrer, den er als »lieber Percy« bezeichnete, sich auf einer Konferenz in Amerika befinde, auf der man über versteckten

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