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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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redeten, teilte das Ticken der Großvateruhr die Zeit in handliche viktorianische Segmente auf. Ihr Läuten zu jeder Viertelstunde sagte einem, um wieviel näher man dem Ende eines ereignislosen Tages gekommen war.
    »Aber natürlich hat man ihn gefragt, oder?«
    »Ollie!« rief Hogg. Daisy war wütend. Thirst trat in die Küchentür, die Schürze immer noch um den Bauch.
    »Wo wären Sie lieber – hier oder in dem schrecklichen Wohnheim in Islington?«
    Thirst sah mich an. »Der Reverend ist sehr nett zu mir gewesen.«
    »Das ist keine Antwort auf die Frage, Ollie. Wo wären Sie lieber?«
    »Hier«, antwortete er und verschwand.
    »Sehen Sie«, sagte Hogg. Ich sah Daisy an, die den Blick abwandte.
    Hogg bot uns die Sandwiches an. Offenbar hatte er Thirst beigebracht, sie in Viertel zu schneiden, was hieß, daß jedes davon nicht mehr als ein Bissen war. Ich nahm ein paar davon und aß sie, obwohl ich keinen Hunger hatte.
    »Wissen Sie was? Ich zeige Ihnen jetzt die Kirche. Mittlerweile bringt Ollie Ihre Sachen in Ihr Zimmer. Ich nehme an, Sie wollen ein Doppelzimmer?«
    »Wenn das nicht gegen die Regeln ist«, sagte Daisy.
    »Nein, nein, nur dem alten Percy dürfen Sie es nicht sagen. Der ist ziemlich altmodisch. Und vielleicht«, sagte er, während er sich an einem Sandwich zu schaffen machte, »ist es auch nicht so sinnvoll, wenn die Behörden davon erfahren. James versteht das sicher. Das ist eine Sache der Glaubwürdigkeit. Schließlich sind Sie nicht verheiratet.«
    Zustimmung heischend sah er mich an.
    »Welch merkwürdige Anachronismen wir doch beide verkörpern«, sagte ich. »Ich muß so tun, als würde ich mich nicht mit Kriminellen abgeben, und Sie müssen vorgeben, sich nicht mit geilen Bekannten zu treffen.«
    Hogg zuckte zusammen. Ich glaube, das Wort »geil« machte ihm zu schaffen.
    Wir verließen das Haus durch die Küche. Thirst war verschwunden. An der Hintertür hing ein grüner, wasserdichter Regenmantel, wie man ihn in den Jagd- und Fischereigeschäften am Piccadilly Circus erwerben konnte, daneben befanden sich ein Paar grüne Gummistiefel und eine Harris-Tweed-Jacke mit ledernem Ellbogenbesatz, die Hogg anzog. Außerdem gab es Hinweise (eine Leine, einen großen Weidenkorb mit Decke, Zahnabdrücke an den Möbeln) auf einen Hund. Draußen war es feucht. Der Boden quatschte unter unseren Füßen.
    »Scheiße«, sagte Daisy und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. »Tut mir leid, Reverend.«
    Wahrscheinlich hatte er Mühe zu glauben, daß dies dieselbe militante amerikanische Feministin war, die er vor kurzem im Pub kennengelernt hatte (im Pfarrhaus sprach sie die meiste Zeit mit ihrem englischen Akzent), aber sie schienen sich wunderbar zu verstehen. Er blieb wie angewurzelt stehen und sagte: »Verflixt – das ist ein Problem, ich weiß. Anscheinend hat Oliver einen Spaziergang mit ihm gemacht. Vielleicht nützt ja ein Stock oder so was?«
    »Ist nicht so schlimm. Ist nur, weil’s direkt vor der Tür war.«
    »Wo ist der Hund?« fragte ich.
    Wir sahen uns alle drei nach ihm um.
    »Es ist ein Schäferhund namens Cranmer. Er ist der Grund, warum Percy mir das Pfarrhaus überlassen hat. Der alte Percy hätte keinen Schritt aus dem Haus getan, wenn er nicht gewußt hätte, daß sich jemand um Cranmer kümmert. Komisch, ich habe keine Hand für Hunde. Keine Ahnung, warum Percy ihn mir anvertraut. So was würde der Hund sicher nicht machen, wenn Percy hier wäre. Unter uns: Ich habe den Eindruck, daß Cranmer mich nicht ausstehen kann.«
    Daisy nickte heftig mit dem Kopf. »Ich weiß, was Sie meinen. Schäferhunde machen mir auch angst. Als ich noch ein Kind war, hat’s einen in dem Bootshaus in Martha’s Vineyard gegeben …« Sie erzählte uns davon, während wir den Hügel zur Kirche hochgingen. Sie strengte sich mächtig an, Hogg und mir dieses Wochenende angenehm zu machen, und ich hatte ein schlechtes Gewissen wegen meiner provokanten Bemerkungen. Warum sollte ich mir Gedanken machen über das, was zwischen Hogg und Thirst vorging? Wieso wollte ich Thirst beschützen?
    Die frische Landluft schien meinen Kopf durchzulüften. Ich entschied mich für eine wohlwollende Geste und legte den Arm um Daisys Taille.
    Sie drückte meine Hand und lächelte dankbar. »Schau, da sind sie!«
    Wir standen oben auf dem Hügel, gleich neben der Kirche, und sahen, daß das Anwesen von einer hufeisenförmigen Mauer umgeben war. Das offene Ende des Hufeisens bildete die Auffahrt zur Kirche, daneben

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