Eine private Affaere
bis ich mir lächerlich vorkam, ihr die Hand hingehalten zu haben, dann wandte sie sich Daisy zu. »Wie schön Sie aussehen«, sagte sie.
Ihr Mann war kleiner und stämmig, und sein Blick wurde hündisch, wenn er seine Frau ansah.
»Ist sie nicht phantastisch?« flüsterte Daisy mir zu.
Gerade als wir das Pfarrhaus betreten wollten, stürmte Cranmer auf uns zu.
»Ach, was für ein prächtiger Schäferhund. Tom, erinnert er dich nicht auch an …«
»Ja, Schatz.«
Sie kniete neben Cranmer nieder und kraulte ihn hinter den Ohren, während er heftig mit dem Schwanz wedelte.
»Du machst dir deinen Pelz schmutzig, Schatz.«
»Dann geben wir ihn eben in die Reinigung.«
Cranmer kläffte. Thirst kam schweigend hinter dem Haus hervor und blieb stehen. Eleanor erhob sich und betrachtete ihn.
»Hallo, Oliver.«
»Hallo, Mrs. Merril-Price.«
»Sie können Eleanor zu mir sagen. Schließlich sind Sie jetzt ein freier Mensch.«
»Fast.« Er wandte den Blick ab.
»Wie geht’s?«
»Gut. Der Reverend hat sich rührend um mich gekümmert.«
Sie lachte, und Thirst wurde rot. »Der Reverend? Sie wollen doch nicht etwa, daß er Sie so anspricht, oder, James?«
»Ich will überhaupt nichts.«
»Sagen Sie James zu ihm oder Vic, das ist gut für ihn.« Sie zwinkerte mir zu.
»Eleanor meint, ich nehme meinen Beruf zu ernst«, sagte Hogg und errötete schon wieder. Er begann die Hände hinter dem Rücken zu ringen.
»Jeder, der meint, er hätte eine Berufung, nimmt seinen Beruf zu ernst.« Sie wandte sich mir zu. »Haben Sie auch eine Berufung?«
»Manchmal, Ma’am, habe ich nicht mal einen Beruf.«
Das war ein schwacher Witz, aber immerhin der erste an diesem Wochenende. Alle lachten. Daisy sah stolz aus.
»Er hat Oliver sehr geholfen«, sagte Hogg.
»Ja«, pflichtete ihm Oliver bei. »Zuerst hat er mich bei ’ner Autodiebstahlssache rausgehauen, und dann hat er auch noch meine Berufung gewonnen.«
»Na, hoffentlich haben Sie keinen Range Rover geklaut«, sagte Eleanor.
Thirst zog grinsend den Kopf ein. Hogg sagte: »Gehen wir doch alle rein.« und sah dabei Eleanor an. Sie antwortete: »Ja, warum nicht?« Dann standen wir eine Weile verlegen herum, weil keiner als erster hineingehen wollte. Mir war aufgefallen, daß Eleanors Mann Tom sich auf das Allerwesentlichste beschränkte. Er hatte mein Gesicht eine Sekunde lang gemustert, um festzustellen, ob ich ein Barrister war, den er gutheißen könnte, und war zu einem negativen Schluß gelangt.
Als wir drinnen waren, merkte ich, daß es bereits dunkel wurde.
»Es ist kalt«, sagte Eleanor, als wir uns alle um den Mahagonitisch setzen.
Thirst kniete vor dem Kamin nieder und zündete eine zusammengeknüllte Zeitung an. Ich sah den Flammen zu, wie sie in den Kamin hochzüngelten.
Eleanor setzte sich an das eine Ende des Tisches, das lange, eindrucksvolle Gesicht vom Kaminfeuer erhellt. »Nun, Schluß mit den unausgesprochenen Sachen. Als erstes möchte ich wissen, ob Oliver mir verziehen hat. Wenn nicht, fahre ich sofort wieder nach Hause.«
»Da gibt’s nichts zu verzeihen«, sagte Thirst. »Sie wissen, daß ich nicht nachtragend bin, das habe ich Ihnen schon gesagt.«
»Wissen Sie, ich war dagegen, Oliver vorzeitig zu entlassen.« Sie musterte mich einen Augenblick. »Aber Ihr Sieg vor dem Berufungsgericht war ausschlaggebend. Ich wurde überstimmt.«
Ich lachte. »Also ist das hier meine Schuld?«
»Nein, meine.«
Wir sahen alle Thirst an, der sich erhob. »Sie brauchen sich keine Sorgen machen«, sagte er zu Eleanor. »Mich bringt da keiner mehr rein. Vorher müssen sie mich umbringen.«
Das wäre ein eindrucksvoller Abgang gewesen, wenn er nicht über den Fußabstreifer gestolpert wäre. Alle lachten. Er verbeugte sich voll komischer Anmut, bevor er hinausging.
[18]
Beim Essen beobachtete mich Thirst und machte mir alles nach: den kleinen Brotteller links; die Suppenschale für die letzten Löffel nach außen kippen; Bratensauce über die Bratkartoffeln, Minzsauce zum Lamm; nur eine kleine Portion Apfelstreusel. Er war voll konzentriert, reduzierte alle Bewegungen auf ein Minimum und schien ganz flach zu atmen wie ein Flüchtiger, der darauf wartet, daß die Hunde an ihm vorbeilaufen. Eleanor beobachtete ihn immer wieder verstohlen, während sie sich mit Hogg über den Bewährungsausschuß unterhielt. Schließlich wandte sie sich mir zu. Sie erwartete offensichtlich, daß ich etwas sagte.
»Wie lange sind Sie schon Leiterin des
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