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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Bewährungsausschusses?«
    »Ach, was für harmlose Fragen! Wie lange und gefällt Ihnen … Ich hätte mehr von Ihnen erwartet, James Knight. Warum werden Sie nicht ein bißchen gewagter? Ich möchte wetten, daß Sie Lust dazu haben.«
    » Warum sind Sie Leiterin des Bewährungsausschusses?«
    »Besser, viel besser. Sagen wir mal, ich habe angefangen, mich für Verbrecher zu interessieren, als mein Sohn einer wurde.«
    »Und Sie dürfen Ihre Funktion dennoch ausüben?«
    »Ja, denn er ist tot. Drogen, Alkohol und schnelle Autos passen nicht so gut zusammen. Da wollte ich wissen, warum. Ich habe mehr Bücher über Kriminologie gelesen als Sie.«
    »Das ist nicht schwer. Schließlich ist das für Anwälte kein Pflichtfach.«
    »Aber aus Erfahrung wissen Sie doch, aus welchen Gesellschaftsschichten die meisten Kriminellen kommen, oder?«
    »Gewaltverbrechen werden am häufigsten von jungen Männern zwischen Fünfzehn und Dreißig aus den unteren Einkommensgruppen verübt. Bei den anderen Verbrechen ist es ein bißchen anders. Da sind häufiger Frauen und Jugendliche aus der Mittelschicht mit von der Partie.«
    »Tja, soweit also der eine Fachmann. Und was sagt unser anderer Experte dazu?«
    Thirst hörte schweigend zu.
    »Warum wendet sich ein netter Junge wie Sie dem Verbrechen zu?«
    In ihrer Stimme schwang keinerlei Sarkasmus mit.
    Wir warteten alle auf seine Antwort. Ich hätte gedacht, daß er mit den Achseln zucken oder etwas Unverständliches vor sich hinmurmeln würde, doch als er etwas sagte, klang seine Stimme erstaunlich kräftig.
    »Ich hab’ mich nicht dem Verbrechen zugewandt, da täuschen Sie sich alle. Wir machen das nicht bewußt, nein, das fängt bei unserer Geburt an. Bloß nach ’ner Weile lochen sie einen deswegen ein. Und dann laufen einem plötzlich Leute wie Sie übern Weg, die einem erzählen, daß es auch noch ein anderes Leben gibt, bloß muß man vorher seine Vergangenheit auslöschen, stimmt’s? Damit ich nicht wieder ins Gefängnis komme, muß ich so tun, wie wenn ich gestern auf die Welt gekommen wär’; ich muß so tun wie ein dreiundzwanzigjähriges Baby, wieder ganz von vorn anfangen. Fragen Sie nicht, warum wir wieder von vorn anfangen, fragen Sie lieber, warum wir weitermachen. Weil’s so schwer ist, sich zu ändern, deswegen.«
    »Aber Sie sind auch Expertin«, sagte ich zu Eleanor. »Warum werden Menschen Ihrer Meinung nach kriminell?«
    »Bei Jungen wie Oliver ist es vielleicht eine soziale Programmierung, jedenfalls in gewissem Maße. Bei meinem Sohn war es wahrscheinlich unsere Schuld, die Schuld von Tom und mir.«
    »Von wegen unsere Schuld«, meldete sich Tom plötzlich zu Wort.
    Eleanor ging zu Tom hinüber und legte die Arme um ihn. Er nahm ihre Hände. Wir warteten alle darauf, daß sie etwas sagte.
    »Ich sage Ihnen jetzt, was ich gern machen würde, wenn Oliver einverstanden ist. Meine Bitte sieht folgendermaßen aus: Wir können uns alle ungefähr die Motive der anderen Anwesenden vorstellen. Ich würde zum Beispiel wetten, daß ich weiß, warum James Knight Anwalt geworden ist, auch wenn er es mir nicht gesagt hat. Und ich kann mir denken, wieso für James Hogg der Beruf des Geistlichen so attraktiv ist. Sogar Daisy, die ja Amerikanerin ist, scheine ich mein ganzes Leben lang zu kennen, obwohl ich erst seit ein paar Stunden mit ihr zusammen bin. Und Tom kenne ich den größten Teil meines Lebens. Doch bei einem der Anwesenden weiß ich lediglich, was er getan hat, ohne die geringste Ahnung zu haben, warum . Ich kann Ihre Motive nicht einschätzen, Oliver. Ich hab’ alle Theorien gelesen, aber trotzdem bin ich dem Phänomen nicht auf die Spur gekommen. Man liest von Soziopathen, man weiß um den Schaden, den sie anrichten, aber man versteht einfach nicht die Gründe ihres Handelns. Ich dachte mir, vielleicht können Sie uns mehr dazu sagen.«
    Thirsts Gesicht hatte die Farbe einer Aubergine angenommen. Er starrte sie an.
    Eleanor ging zu ihm hinüber und legte ihm die Hände auf die Schulter. »Sie verstehen mich falsch, Oliver, deswegen geraten Sie aus der Fassung. Ich möchte keine lange, schmalzige Geschichte über Ihre soziale Programmierung hören, sondern ein Gefühl für die Erregung bekommen, die Sie dazu treibt. Meinen Sie nicht auch, James, daß es interessant wäre, wenn Oliver uns das erklären würde? Natürlich müssen wir alle schwören, Stillschweigen darüber zu bewahren.«
    »Es könnte sogar sublimierend wirken, wenn er uns den Gefallen tut«,

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