Eine private Affaere
sagte Hogg ohne rechte Überzeugung »Würden Sie das machen, Oliver? Natürlich haben Sie das Recht, nein zu sagen.«
Thirst stand auf. Jetzt war sein Gesicht nicht mehr gerötet, sondern blaß.
»Sie halten also alle den Mund, stimmt’s?« Er wandte sich an Eleanor. »Ich zeig’s Ihnen«, sagte er, ging zur Tür und drehte sich zu uns um. »Kommen Sie mit raus«, sagte er zu Eleanor. »Und Sie auch.« Damit meinte er mich.
»Wir kommen alle mit«, sagte Tom.
»Ja, Sie können alle kommen«, sagte Thirst.
Eleanor folgte Thirst als erste hinaus. Er stand bereits neben dem Range Rover und drehte etwas im Schloß auf der Fahrerseite. Nach wenigen Sekunden hatte er die Tür geöffnet, sprang auf den Sitz und entriegelte die Tür auf der Beifahrerseite.
Er winkte Eleanor und mich heran. In dem sicheren Wissen, daß Eleanor auf ein Zeichen von mir wartete, machte ich entschlossen einen Schritt vorwärts. Sie folgte mir. Thirst beugte sich mittlerweile über das Lenkrad. Der Motor sprang an, als wir in den Wagen kletterten. Ich setzte mich vorne neben Thirst, Eleanor hinter mich. Er schaltete die Scheinwerfer ein. Ich sah Toms rotes Gesicht und Daisy hinter ihm, die verblüfft wirkte.
»Anschnallen«, sagte Thirst, ohne sich selbst an seine Anweisung zu halten.
Er ließ den Motor aufheulen, bevor er die Kupplung losließ, und wir machten einen kleinen Sprung. Ich hörte, wie der Kies unter den Reifen wegspritzte.
»Wir stehlen meinen Wagen!« Eleanors Stimme klang vor Aufregung wie die eines kleinen Mädchens.
Thirst nutzte den Vierradantrieb, um über den Rasen, unter Zypresse und Eiche hindurch, den Hügel hinaufzufahren. Am Morgen würden sich dort schwarze Reifenspuren befinden. Wir kamen an einem Seiteneingang zur Kirche heraus. Einen Augenblick lang dachte ich, er wollte durch die schwere Holztür brechen.
Doch er ruckelte nach links und jagte den Motor wieder hoch. Mit quietschenden Reifen fuhren wir um die Kirche herum. Ich wurde von innen gegen die Tür gedrückt. Im Scheinwerferkegel sahen wir alte Mauern, mittelalterliches Maßwerk, den Stuck über einem gotischen Bogen.
Eigentlich war der Wagen nicht für hohe Geschwindigkeiten gedacht, aber Thirst gab uns das Gefühl, er fahre schnell, indem er in den unteren Gängen blieb, den Motor auf Hochtouren brachte und die Kupplung schleifen ließ. Als wir am Haupteingang vorbeikamen, dachte ich, er würde vielleicht noch eine Runde drehen und uns dann über die Auffahrt zurück zum Pfarrhaus bringen. Doch er raste den Hügel hinunter zur Straße, ohne in der Ausfahrt stehenzubleiben. Er bog sofort in die Straße ein, auf zwei Rädern, und brauste in Sekundenschnelle durch die Ortschaft. Eleanor gab ein merkwürdiges Geräusch von sich – ein Stöhnen, ob vor Vergnügen oder Angst, war nicht so ganz klar.
Am Ortsrand erfaßten die Scheinwerfer für den Bruchteil einer Sekunde die Gestalt eines Tieres mit langen, aufgestellten Ohren, großen, erschreckten Augen und tropfenförmigem Körper. Dann ein Knall.
»Was war das?« fragte Eleanor, nach Luft schnappend.
»Ein Hase«, antwortete ich.
»Ein toter Hase«, sagte Thirst.
Wir befanden uns jetzt auf der engen, dunklen Landstraße, und die Scheinwerfer glitten über den durchbrochenen Mittelstreifen, der zu einer Linie verschwamm. Ich sah, daß wir über hundertzwanzig fuhren.
Ich drehte den Kopf zu Eleanor um, die sich an der Rückenlehne meines Sitzes festhielt.
Thirst schaltete die Scheinwerfer aus und beschleunigte. »Ich mache sie wieder an, wenn einer von euch mich drum bittet«, sagte er.
Ich erwartete, daß Eleanor ihn darum bitten würde, sie wieder einzuschalten. Ich schaute mich wieder nach ihr um. Ihr Mund war leicht geöffnet, doch sie sagte nichts.
Thirst sah zuversichtlich und wachsam aus – wahrscheinlich lenkte er den Wagen mit Hilfe des wenigen Lichts, das draußen noch herrschte. Ich war erregt, und das gefiel mir. Eine Sekunde lang liebte ich Thirst.
In einer Kurve wurde es kritisch. Wir fuhren so schnell, daß wir fast von der Straße abgekommen wären. Thirst bremste nicht, verlangsamte aber. Die Vorderreifen rutschten weg; als er den Wagen wieder in seiner Gewalt hatte, beschleunigte er erneut. Eleanor sagte noch immer nichts.
Erst als der Tacho auf hundertfünfzig Stundenkilometer zeigte, kreischte sie: »Hören Sie auf, das ist Leichtsinn!«
»Betteln Sie.«
»Ich flehe Sie an, Oliver.«
Er schaltete gekonnt zurück, zog die Handbremse, so daß wir uns um die
Weitere Kostenlose Bücher