Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
Vom Netzwerk:
freudianischen Alptraum gehabt. Ich hab’ geträumt, daß ich kastriert und Oliver verkrüppelt war.« Die anderen Einzelheiten erwähnte ich nicht.
    Es war nicht besonders schwierig, den Ursprung dieser Träume zu ergründen. Keine Falle funktioniert effektiver als unser Bedürfnis zu beweisen, daß wir vernünftig, ehrlich und voller Mitleid sind. Genau dieses Bedürfnis brachte mich am Ende dazu nachzugeben. Schließlich hatte Thirst sich an die Bedingung gehalten, die ich ihm gestellt hatte. Er tat alles, um sich zu verändern. Wie konnte ich zugeben, daß er dabei aufgehört hatte, jämmerlich zu wirken, und statt dessen furchteinflößend geworden war?
    Für Daisy war diese neue Freundschaft mit Thirst so etwas wie eine Antiklimax.
    »Ich gefalle ihm nicht mal«, sagte sie, nachdem wir uns gemeinsam mit ihm getroffen hatten. »Er ist ein Arbeiterschicht-Macho. Die Frauen sind nur zu einem Zweck gut. Er hing an deinen Lippen und hat nicht mal gemerkt, wenn ich was gesagt hab’.«
    »Hilfst du ihm nur unter der Bedingung, daß er sich in dich verliebt, beim Lernen?«
    »Davon rede ich nicht.«
     
    Am Abend vor dem zweiundfünfzigsten Geburtstag von Daisys Mutter lagen wir im Bett, und Daisy zündete sich einen Joint an. Sie rollte und rauchte die Dinger voller Stolz über ihr Geschick, als handle es sich dabei um eine Tätigkeit, die sie erst nach langer Übung so gut beherrschte. Manchmal erinnerte mich ihr Gesicht an zynische Babys, wie man sie häufig auf Witzkarten sieht: Ein Kind im Kinderwagen raucht heimlich eine Zigarette, und aus seinem Mund kommt eine Sprechblase mit einem obszönen Spruch. Ich muß gestehen, manchmal gab es Zeiten, in denen ich mich fragte, wieso ich sie liebte.
    »Ich wette, ich weiß, woher das kommt«, sinnierte sie, während der beißende Rauch das Zimmer erfüllte.
    »Woher was kommt?«
    Ich hatte den Arm um ihre Schulter gelegt. Mit einem Finger zeichnete ich die Mulde nach, wo ihre Brustknochen zusammentrafen. Ich drehte mich um und begann, mit der anderen Hand ihre Brüste zu streicheln. Merkwürdig, wie es ihr manchmal gelang, alle Empfindungen aus ihnen abzuziehen, zum Beispiel wenn sie, inspiriert vom Haschisch, Spekulationen anstellte.
    »Dieser Katastrophenkomplex in dem Traum mit Oliver.«
    »Ach so, der.«
    »Ich hab’ mal einen interessanten Kurs gemacht mit meinen Schülern, über die männliche Sexualität im englischen Roman. Weißt du, bei Hardy und Lawrence, sogar bei Dickens, hat der Mann aus der Arbeiterschicht, manchmal sogar der Kriminelle, die wahre phallische Macht. Mittelschicht und Aristokratie sind praktisch kastriert – wie in Lady Chatterley . Etwas Vergleichbares gibt es in den Staaten nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, daß ihr hier noch viel verdrehter seid als wir.«
    Ich ließ meine Hand zwischen ihre Schenkel gleiten, aber auch darauf reagierte sie nicht. Sie war zu sehr von ihren eigenen Überlegungen fasziniert. Und die hatten ihr, wenn man ihrem Gesichtsausdruck glauben durfte, einen überlegenen Einblick in das Menschsein verschafft.
    »Und?«
    Sie nahm einen tiefen Zug und hustete, als sie etwas sagte. »Tja, weißt du, der Junge aus der Arbeiterschicht, der geile Straßenjunge, der noch in dir steckt, ist der, der so gut ist im Bett. Nicht der Anwalt aus der Mittelschicht. Deine Kollegen stellen keinerlei sexuelle Gefahr für dich dar, weil sie in deinen Augen völlig asexuell sind. Andererseits mußt du dir Sorgen darüber machen, daß deine Potenz immer schwächer wird, je kopflastiger und mittelschichthöriger du wirst. Und wenn dann jemand wie Oliver auftaucht – ein richtiger Wilder von der Straße –, hast du Angst, daß er dir das Heft aus der Hand nimmt … Hör auf damit, ich bin nicht in der Stimmung.«
    Ich drehte mich um. Danach döste ich wahrscheinlich ein. Ich hatte eine junge Frau verteidigt, die wegen Totschlags vor Gericht stand, und ich war müde. Die Frau hatte in postnataler Depression ihr Baby gegen eine Wand geschleudert und es dabei getötet. Sie war weder besonders hübsch noch sonderlich helle und hatte von dem Prozeß nur wenig begriffen. Alle hofften, daß sie nie wieder ein Kind bekommen würde, doch wir wußten, diese Hoffnung war vergebens. Der Sex war das einzige, was sie hatte.
    Ich wachte auf, als ich spürte, wie eine Hand mein Gesicht sanft liebkoste. »Jimmy, bist du sauer, weil ich das gesagt hab’?«
    »Nein.«
    »Woran denkst du?«
    »Ich finde, es ist ziemlicher Blödsinn. Andererseits muß

Weitere Kostenlose Bücher