Eine private Affaere
›Fulgurant‹ bedeutet?« fragte Thirst.
Ich sah Daisys Blick im Spiegel. »Nein.«
»Wie steht’s mit ›Fulgurit‹?«
Daisy schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Solltest du aber.«
»Das heißt, du bist bei ›F‹?« fragte ich.
»Yeah, im Concise Oxford Dictionary. «
»Alles bis ›F‹?« fragte Daisy ungläubig.
»Das meiste. Frag mich was.«
»Was heißt ›fulminant‹?«
»Das ist leicht. ›Prächtig, glänzend‹. Kommt vom selben lateinischen Wort – Blitz«, erklärte Thirst.
Wir fuhren durch Hampstead Village, am Golders Hill Park vorbei zum Hampstead Garden Suburb. Daisy hatte ihrer Mutter nichts gesagt, also warteten Thirst und ich unten. Ich hörte Daisy sagen: »Komm, Mom, ich möchte dir unten auf der Straße was zeigen.« Dann erschien Mrs. Hawkley, und wir sangen lauthals »Happy birthday to you«. Mein falsches Brummen hob sich nicht gerade schmeichelhaft von Thirsts halbwegs überzeugendem Bariton ab.
Ich gab Mrs. Hawkley einen Kuß auf die Wange.
»Das ist der Mann, von dem ich dir schon so viel erzählt habe«, sagte Daisy. »Oliver, das ist Doris.«
»Ach, was für ein gutaussehender junger Mann«, sagte Mrs. Hawkley und hielt Thirst die Wange zum Kuß hin. »Sind Sie mein Begleiter? Was für eine wundervolle Überraschung. Gott, sind Sie groß und stark. Und was für ein schöner Smoking. Ein hübscher Mann ist die beste Therapie für mich. Kriegt man Sie auf Krankenschein?«
»Nicht flirten, Mom«, sagte Daisy.
»Warum nicht? Schließlich hab’ ich Geburtstag.« Sie lächelte mich an und wandte sich an Thirst. »Das macht Ihnen doch nichts aus, love , oder?«
Thirst grinste. » Love? Kommen Sie aus South London?«
Mrs. Hawkley berührte ihre Haare. »Nun, eigentlich aus Essex. Aber Sie wollen sagen, daß ich die Nase nicht so hoch trage. Nein, das tue ich nicht. Ich hab’ mit dem Flunkern aufgehört, als ich von Amerika weg bin.«
Thirst hielt sich dicht neben ihr, als wir zum Auto gingen. Er setzte sie neben sich, und Daisy und ich machten es uns auf dem Rücksitz bequem. Er fuhr langsam und vorsichtig Kingsley Way hinunter, bog rechts ab, dann noch einmal rechts, bis wir an den prächtigen Herrenhäusern der Bishop’s Avenue vorbeikamen.
»Das ist der einzige Teil Londons, der mich an Kalifornien erinnert«, sagte Daisy. »Die Leute hier haben so viel Geld, daß sie sich in ihren eigenen Phantasien verirren.«
Thirst nickte, »Yeah. Schaut euch mal das da an.«
Wir starrten auf ein riesiges, blau-weißes Bauwerk im maurischen Stil, verziert mit Kuppeln und Halbmonden.
»Hübsch«, murmelte Mrs. Hawkley. »Ich mag’s bunt. Sie auch, Oliver?«
Er grinste sie an. »Das heißt, der Wagen gefällt Ihnen?«
»Ja, der ist toll. Achten Sie gar nicht auf Daisy, die ist Sozialistin. Und die wollen, daß alles klein und grau und unauffällig ist.«
»Mom, bitte«, sagte Daisy.
»Aber es stimmt doch. An Amerika hat mir immer gefallen, daß alles so groß war. Große Häuser, große Mahlzeiten, große dominierende Männer.«
Daisy stöhnte.
Die Bishop’s Avenue ging in die Hampstead Lane über. Wir bogen links ab und dann auf den Parkplatz von Kenwood. Ich nahm Daisys Tüte mit den Geschenken und dem Snack, während Thirst den Champagner aus dem Kofferraum holte. Es war ein strahlender Tag, wenn auch ein bißchen kühl, und die Wolken jagten über den blitzblauen Himmel. In meiner Erinnerung wechselte das Licht immer wieder zwischen grell und schattenhaft. Als wir uns unter eine riesige Eiche setzten, zog Daisy ihre Daunenjacke aus und hängte sie ihrer Mutter über die Schultern. Sie selbst trug jetzt nur noch einen dicken Pullover, der nicht genug Schutz gegen den Wind bot. Sie fror, vielleicht war sie deshalb nicht gerade bester Laune. Auch mir war in meinem Pullover nicht eben warm. Ich konnte nicht verstehen, wie Thirst es mit der Smokingjacke und dem Hemd aushielt, aber er schien gegen die Kälte genauso immun zu sein wie gegen viele andere Dinge. Nur Mrs. Hawkley hatte es in Daisys dicker Jacke mollig warm.
Thirst holte vorsichtig vier Sektgläser aus einer alten Nylon-Einkaufstasche, gab jedem von uns eines und öffnete eine Flasche. Man konnte fast meinen, daß er das im Fernsehen gesehen hatte, denn er drehte zuerst sorgfältig den Draht auf und zog dann sanft den Korken mit einem leisen Geräusch heraus. Er sah mich lächelnd an, weil er wußte, was ich eigentlich erwartet hatte.
Die Versuchung, den Champagner zu kippen, um der Kälte Paroli zu
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