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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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einer einen Wärter nieder. Es gibt immer genügend Drogen, wenn man welche möchte. Und natürlich Sex.«
    »Sex?«
    »Das wissen Sie doch.« Er machte ein mürrisches Gesicht. »Das machen alle. Heißt noch nicht, daß man schwul ist, bloß weil man’s im Knast mit ’nem Typ treibt. Entweder das oder Handarbeit. Wo ist da der Unterschied?«
    Ich sah zu, wie Maude und Mildred im Morgenrock einen persischen Teppich in den Garten hinausbrachten, ihn ausschüttelten, über etwas lachten, ihn wieder hereintrugen. Ich konnte sie irgendwie leiden. Sie erinnerten mich an alte Mönche, die gelernt haben, Gott in kleinen Dingen zu sehen.
    Ich fand nichts dabei, mich in dem Haus aufzuhalten. Manchmal war es angenehm, in einer anspruchslosen Umgebung zu sein. Daisy hätte das sicher auch gefallen.
    »Haben Sie sich nie auf eine enge Beziehung mit jemandem eingelassen?«
    »Mit ’nem Typ, meinen Sie? Sie wollen wissen, ob ich ein Homo bin? Ein Bulle hat mich verführt, da war ich zwölf. Ich weiß nicht, ob Ihnen das was hilft. Hab’ hinterher ’ne ganze Woche nicht mehr sitzen können.« Er versuchte, empört zu klingen, aber so, wie er es sagte, mußte ich lachen. Er hob den Blick.
    »Ich bin nicht schwul. Kennen Sie den Marlborough Street Magistrates Court?«
    »Natürlich.«
    »Da hat jemand ’nen Spruch in die Zellenwand eingeritzt: ›Für mich war Sex ein Schmerz im Arsch, bis ich die Frauen entdeckt hab’!‹ – Das ist von mir.«
    Ich lächelte.
    »Hat Ihnen gefallen, was?«
    »Ich habe gelächelt, weil Sie sich einfach nicht einordnen lassen.«
    »Ich? Hören Sie auf. Ich brauch’ doch bloß in ein Zimmer kommen, da weiß jeder, woher ich bin.«
    Wie kam jemand wie er in ein Zimmer? Auch mir fiel es manchmal schwer ein Zimmer voller Leute zu betreten, die einander viel besser verstanden als mich. Angenommen, man war gewalttätig, wütend, hatte Tätowierungen – wie betrat man dann ein Zimmer und behielt dabei seine Würde?
    »Die sehen nur das Abziehbild, das ist alles.«
    »Hören Sie«, sagte er. »Tut mir leid, daß ich Sie heute am Bailey abgepaßt hab’, aber ich war irgendwie verzweifelt. Wissen Sie, auf der einen Seite ist manches für mich besser, auf der anderen schlechter. Zum erstenmal im Leben weiß ich, was ich will – aber ich bin auf mich allein gestellt. Wenn ich heute in den Pub geh’ wie neulich abend in Camberwell und mir die Typen anschau’, mit denen ich früher zusammengesteckt hab’, denk’ ich mir: was für Idioten. Der alte Beaufort hat schon recht gehabt – die halten sich alle für die Größten und merken gar nicht, wie das System sie kaputt macht. Aber ein Teenager aus der Mittelschicht, der grade seinen Shakespeare lernt, bin ich auch nicht, oder? Sie sind so ziemlich der einzige, der beide Seiten sieht – genau wie ich. Aber ich hätte nicht einfach so auftauchen sollen. War wahrscheinlich ganz schön peinlich für Sie.«
    »Kein Problem. Wahrscheinlich bin ich einfach zu pingelig; es passiert immer wieder …«
    »Sie meinen Exsträflinge, die versuchen, sich mit Anwälten anzufreunden?«
    »Das ist unmöglich, Oliver.«
    »Aber ich hab’ jetzt ’ne reine Weste. Wie lang dauert so was?«
    »Keine Ahnung. Ich hab’ die Regeln nicht gemacht.«
    Sein Mund zuckte, als er hörte, was ich sagte. Doch er erholte sich erstaunlich schnell wieder und stand auf. »Schnell, gehen wir, solange Sie noch lächeln. Denn dann wollen Sie mich vielleicht doch irgendwann wiedersehen.«
     
    Ich brauchte mehr als zwei Stunden, um nach Hause zu kommen, weil fast ganz London von Staus lahmgelegt war. Ich kaufte mir die Zeitung bei einem Verkäufer in der U-Bahn, um den Bericht über mein Verfahren zu lesen. Ich wurde nicht erwähnt, aber mein Mandant wurde als »gerissen und rücksichtslos« bezeichnet.
    Daisy wartete in ihrem alten weißen Pullover auf mich.
    »Na, wie war’s?« fragte sie, bevor ich Zeit hatte, sie richtig zu begrüßen. Ich wußte, wie sehr der Gedanke an Bordelle und Prostituierte sie erregte.
    »Das erzähle ich dir später«, sagte ich. »Ich bin müde, ich glaube, ich muß erst mal eine halbe Stunde die Zeitung lesen.«
    »Mach keine Scherze.«
    Sie hob den Pullover hoch, um mir zu zeigen, daß sie darunter nackt war. Ich zog meinen Morgenmantel an und ließ mich aufs Bett fallen. Sie legte den Kopf auf meine Brust.
    »Es war erstaunlich«, sagte ich. »Du wirst es mir nicht glauben.«
    »Erzähl.«
    »Alle Zimmer sind anders und gehören unterschiedlichen

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