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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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einer Bühne. »Wahrscheinlich hast du jetzt ’nen Bandscheibenschaden, du Sturschädel. Werden Männer eigentlich nie erwachsen? Ihr seid wie die Neandertaler. Man kann euch wirklich nicht allein lassen. Warum holt ihr nicht gleich Pfeil und Bogen raus und geht Säbelzahntiger jagen? Aber verlang ja nicht von mir, daß ich dich pflege, wenn du’s an der Bandscheibe hast.«
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging wieder ins Haus.
    »Was ist ein Neandertaler?« fragte Thirst. »Was hat sie da gefaselt? Ich weiß, sie is’ deine Freundin, James, aber manchmal hab’ ich das Gefühl, sie raucht zuviel Haschisch – verstehst du, was ich meine? Was sollte denn das mit Pfeil und Bogen und Säbelzahntigern? Wenn sie meine Freundin wär’, würd’ ich sie mal ordentlich versohlen, das sag’ ich dir.«
    »Ich glaube, im Moment würde ich auf jeden Fall den kürzeren ziehen.« Ich stützte die Handflächen in mein schmerzendes Kreuz.
    »Am besten, du legst dich flach hin.« Er nahm meinen Arm, schlang ihn um seinen Hals, hob mich vorsichtig hoch und bettete mich auf das Gras vor dem Haus. Immer wieder mußte ich seine gewaltigen Körperkräfte und seine ungeheure Vitalität bewundern. Er hatte das, was Daisy wahrscheinlich unsere Egoschlacht genannt hätte, gewonnen, doch als er mich kurz ansah, mußte ich wieder an jenen flüchtigen Moment auf der Waterloo Bridge denken: In seinen Augen war so etwas wie Schmerz, vielleicht auch Mitleid und Fatalismus sowie die Erkenntnis, daß es kein Entrinnen gab. Dann ging er ins Haus.
    Ich lag auf dem Rücken und stellte fest, daß die frischen grünen Blätter des Baumes über mir unregelmäßige Muster in den Himmel schnitten. Die Tatsache, daß Daisy sich zusammen mit Thirst in der Wohnung aufhielt und ich vorübergehend fast bewegungsunfähig dalag, versetzte mich in eine merkwürdige Stimmung. Ich merkte, daß ich diese Stimmung verändern konnte, je nachdem, ob ich mich meinem Argwohn oder dem Gedanken an Thirsts seltsamen Blick hingab. Es war lächerlich, daß ich bis dahin nie folgendes in Betracht gezogen hatte: Seine Lebenserfahrung war mit der meinen identisch. Wahrscheinlich döste ich über diesem Gedanken ein. Als ich ein paar Minuten später wieder aufwachte, sah ich Daisys Gesicht über mir.
    »Tut mir leid, Jimmy, daß ich so eklig zu dir war. Hast du dir ernsthaft weh getan?«
    »Das Hinlegen hat mir gut getan. Kannst du mir aufhelfen?«
     
    Chaz und Thirst fuhren weg, sobald unsere Sachen in der Wohnung waren. Ein paar Stunden später brachte ein anderer Lieferwagen einen Kiefernholztisch und Stühle. Ich war mit meinen Kräften am Ende.
    Ich lag mit meinem schmerzenden Rücken auf dem neuen Teppichboden, während Daisy ganz aufgeregt von Zimmer zu Zimmer lief.
    »Ich kann’s noch gar nicht glauben, daß wir jetzt so viel Platz haben!«
    An die Wand gelehnt, Kissen im Rücken, tranken wir Wein.
    »Ist das nicht toll?« fragte Daisy.
    »Ich hoffe bloß, daß wir die Miete bezahlen können.«
    »Aber du schuftest doch wie ein Pferd – es kommen ständig Aufträge rein.«
    »Im Augenblick läuft die Wirtschaft schlecht, deswegen dauert’s noch länger als sonst, bis die Solicitors zahlen. Weißt du eigentlich, daß ich erst letzte Woche das Geld für Thirsts Berufung gekriegt habe?«
    »Trink noch ein bißchen Wein, dann kriegst du bessere Laune. Wir schaffen das schon. Ich geb’ noch ein paar Kurse am Abend, wenn du das möchtest.«
    Ich trank. »Weißt du was? Ich fange gerade an, mich selbst in einem neuen Licht zu sehen. Daisy, ich muß zugeben, daß du wahrscheinlich die ganze Zeit recht gehabt hast.«
    »Wie das, mein Lieber?«
    »Nun ja, daß ich mich ständig für Geld und Status abrackere – meine endlose Suche nach einem Endziel, nach dem Gefühl, es geschafft zu haben. Eigentlich ist das bloß ein blödes Männerspiel. Das Ankommen, das Leben, das passiert jetzt.«
    »Klar. Das ist das mystische Jetzt. Was anderes gibt’s nicht.«
    »Der Mensch ist ein in die Zeit geworfenes Tier.«
    »Genau.«
    »Und was hat mir das alles gebracht? Jetzt bin ich fast dreißig, und das einzige, was ich habe, ist eine Mietwohnung mit Möbeln, die ich mir kaum leisten kann. Wenn ich dann in den nächsten paar Jahren noch mehr Erfolg habe, bedeutet das ein Häuschen irgendwo draußen vor der Stadt und eine riesige Hypothek, die ich Monat für Monat abbezahlen muß.«
    »Genau.«
    »Weißt du was? Ich hab’ mich entschieden – keine Fernziele mehr. Ich warte

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