Eine private Affaere
nicht drüber reden. Es ist zu peinlich.«
Nach der Verhandlung am nächsten Tag (mein Mandant wurde wegen Einbruchs zu zwei Jahren verurteilt) fand ich eine telefonische Nachricht von Thirst vor. Fast ein wenig erleichtert wählte ich die Nummer, die mein Clerk notiert hatte. Thirst wollte sich mit mir treffen, um über »meine Freundin« zu reden. Es war mir immer noch nicht sonderlich angenehm, in der Gegend um den Temple in seiner Gesellschaft gesehen zu werden, also verabredeten wir uns in einem Café am Piccadilly.
Es war gegen fünf Uhr nachmittags – neben dem Ticketschalter der U-Bahn lag ein Punk, der mehr als die übliche Dosis Drogen erwischt zu haben schien. Er sah aus wie tot. Polizei und Notarzt trafen ein, als ich die Rolltreppe hinauffuhr. Ich kaufte mir eine Abendzeitung, während ich im Café wartete.
Thirst trug eine kurze Schaffelljacke, eine saubere Jeans und neue Turnschuhe. Offenbar hatte er eine Einnahmequelle gefunden; ich fragte lieber nicht, wie sie aussah. Ich hatte einen neuen, beigefarbenen Burberry an. Als er die Ereignisse des vergangenen Nachmittags erzählte, nahm sein Gesicht einen grimmigen und gleichzeitig verantwortungsbewußten Ausdruck an.
Als ich wieder nach Hause kam, fragte Daisy: »Er hat’s dir gesagt, stimmt’s?«
»Ja. Können wir jetzt drüber reden?«
»Mein Gott, ich hab’ den ganzen Tag drüber nachgedacht – warum bin ich nur so armselig? Ich wollte ihm lediglich was schenken. Und es war noch dazu ein gutes Buch, die beste kritische Abhandlung über John Donne, die in den letzten zehn Jahren rausgekommen ist. Ich hab’ kein Geld dabei gehabt. Ich mach’ das fast nicht mehr – praktisch nicht mehr seit damals im College –, aber wenn ich’s mache, mach’ ich’s immer ziemlich geschickt. Ich schwör’s dir, in dem Laden hat mich keiner gesehen. Am allerwenigsten der Ladendetektiv. Die riech’ ich hundert Meter gegen den Wind. Oliver hat draußen vor dem Geschäft gewartet – es war richtig unheimlich, wie wenn er’s geahnt hätte. In meinem ganzen Leben hat mich noch niemand so runtergeputzt. Er hat gesagt, er geht nicht für ’ne kleine Nutte ins Gefängnis, für eine blutige Anfängerin und so weiter – und dann hat er mich gezwungen, das Buch wegzuwerfen. Mein Gott, ist mir die Sache peinlich. Er hat mir richtig angst gemacht. O Mann, der hat mir eine ganz schöne Abreibung verpaßt! Jetzt ist mir klar, was du meinst, wenn du sagst, daß er das Zeug zum Mörder hat … Würdest du mich bitte nicht so anschauen?«
Ich ging in mein Arbeitszimmer, schlug ein Buch auf und versuchte, mich zu konzentrieren, als sie hereinkam. Es war ziemlich ungewöhnlich für sie, daß sie mich nicht berührte. Sie setzte sich auf einen Stuhl, ungefähr einen Meter von mir entfernt.
»Wahrscheinlich verachtet Oliver mich jetzt. Was hat er über mich gesagt?«
Meine Ressentiments machten es mir leicht, ihr die Wahrheit zu sagen.
»Er hat ziemlich viel gesagt, aber im Grunde genommen wollte er bloß rüberbringen, daß er dich für lächerlich unreif hält. Er meint, du versteckst dich hinter deinem guten Aussehen – eine weniger attraktive Frau könnte sich solche Sachen nie erlauben. Eleanor hat schon recht, wenn sie sagt, er kriegt alles mit – er hat mich gefragt, ob du irgendwelche engen Freundinnen hast. Ich hab’ mit nein antworten müssen.«
»Und das heißt?«
»Daß nur Männer dich tolerieren. Deinen Narzißmus.«
»Die englischen Frauen hassen mich, James«, sagte sie leise. »Das wissen wir beide. Das ist nichts Neues.«
[28]
Und so war ich es, der, aus welchen Gründen auch immer, den Löwenanteil an Thirsts Aufmerksamkeit bekam, wenn er nicht gerade wie ein Besessener lernte. Aus den Bibliotheken kam er mit dem Gesichtsausdruck eines Soldaten mit Kriegsneurose. Ich glaube, öfter als zweimal holte ich ihn nicht von einer öffentlichen Bücherei ab, aber das Bild, wie er erschöpft die mattbraune Tür aufdrückte – besorgt in das fremde Licht blinzelnd, so etwas wie Wut im Gesicht, ein bißchen blaß um die Nase, die Kleider um den Leib schlotternd – hat sich mir unauslöschlich eingeprägt.
»Hallo, James.«
»Oliver. Na, womit hast du dich denn heut’ beschäftigt – mit Macbeth oder mit Jones und Metford und ihren Äußerungen zur Teenagerkriminalität?«
»Ach was, Jones und Metford – Ärsche sind das. Ich sag’s dir, die haben keinen blassen Schimmer. Wie viele Wagen haben die denn mit fünfzehn geklaut?«
Ich hatte
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