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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Kind warst?« fragte Daisy.
    »Nein, im Pleistozän, ungefähr vor zehntausend Jahren. Habt ihr schon gewußt, daß die letzte Eiszeit erst siebzehnhundertfünfzig zu Ende gegangen ist, und daß es da mehr Gletscher auf der Erde gegeben hat als jemals zuvor seit dem Pleistozän?«
    Daisy und ich sahen uns an. Wir gingen weiter, bis wir zu einem Café gleich um die Ecke von unserem neuen Zuhause kamen.
    Das Café gehörte zu den vielen in London, denen es gelingt, die schlimmsten Eigenheiten ähnlicher Cafés in anderen Ländern in sich zu vereinigen. Kaffee und Essen waren teuer, aber schlecht, die Ausstattung modern, aber drittklassig, der Kellner ziemlich barsch und unaufmerksam, und der Inhaber neigte dazu, seinen Gästen zu wenig Wechselgeld herauszugeben.
    »Ihr geht oft in solche Cafés?« Thirst warf einen ungläubigen Blick auf die Preisliste.
    »Fast nie«, sagte ich. »Mir gefällt so was nicht.«
    »Warum nicht?«
    Ich hatte mich inzwischen an solche Frage gewöhnt und auch an seine bemerkenswerte Begabung, sich alle möglichen Informationen anzueignen und sie umzusetzen.
    »Die Einrichtung ist Schlock total, der Kellner ist ein grober Hund, das Essen kommt aus der Dose – manchmal machen sie’s nicht mal richtig warm –, es gibt bloß Instantkaffee, und der Besitzer ist ein Gauner.«
    Er betrachtete das Café mit neuen Augen. »Wie heißt das Wort, das du gerade gesagt hast?«
    »Schlock. Das ist amerikanisch. Ich hab’s von Daisy.«
    »Und was heißt das, Daize?«
    »Die Juden in New York sagen das – wahrscheinlich kommt’s aus dem Jiddischen. Es heißt so was Ähnliches wie Schrott, nur fürs Auge. Weißt du, Sachen, die jemand mit Geld, aber ohne Geschmack kaufen würde.«
    Seine Augen verengten sich. »Jemand aus der Gosse wie ich, meinst du?«
    Daisy suchte nach Worten. »Nein, so darfst du das nicht verstehen. Ich wollte nicht …«
    Er grinste mich an. »Diese Yankees – manchmal kriegen sie den Witz nicht so richtig mit. Ist schon recht, Daisy, ich hab’ bloß so sauer getan.«
    Daisy sah zuerst mich an, dann ihn, und blähte die Backen. »Mein Gott! Könnt ihr Kerle denn nie aufhören, euch über die Leute lustig zu machen?«
    »Wir Kerle? Meinst du damit die Engländer?« fragte Thirst.
    »Ne, machen wir, glaub’ ich, nicht. Wir tun bloß immer so eingeschnappt. Das ist das beste. Vermißt du die Staaten, Daize?«
    »Manchmal schon.«
    »Wie sieht’s denn da wirklich aus? Wolkenkratzer und Cowboys und Schießereien, solche Sachen?«
    »Die Leute tun, was sie tun müssen. Es ist nicht so ein Getue wie hier. Weißt du, wie das am häufigsten verwendete englische Wort heißt? – ›Sorry.‹ Mein Gott, manchmal frage ich mich, ob die Männer in England alle Memmen sind. Diese ganze Höflichkeit hier, das ist doch bloß ’ne Tarnung für mangelnden Mumm. Sorry, sorry, sorry – was anderes hört man nicht.«
    Thirst zwinkerte mir zu. »Dann sind die Amerikaner also nicht höflich, Daize?«
    »Machst du Scherze? Da heißt’s aus ’m Weg, du Arschloch, bevor ich dir die Fresse poliere!« Sie sah uns an. »Okay, das ist aggressiv, ordinär, möglicherweise sogar mörderisch. Aber wenigstens ist’s ehrlich. Ihr habt doch das Wort ›Wichser‹ hier – das ist jemand, der zwanghaft masturbiert, stimmt’s? Ihr verwendet das die ganze Zeit. Das hier ist eine Nation von Wichsern. Vielleicht könnt ihr nichts andres, als euch über alles lustig zu machen.«
    In ihren Augen loderte das Feuer der Erregung. Ich bemerkte ein kurzes, interessiertes Aufflackern in denen von Thirst, bevor er sich wieder mir zuwandte und mir noch einmal zuzwinkerte. »Der Inhaber ist also ein Gauner, sagst du? Wetten, daß wir hier keinen Penny zahlen müssen? Bestellt, was ihr wollt. Die Rechnung geht auf mich.«
    »Oliver«, sagte ich.
    Er hob die Hand. »Ich versprech’ euch, daß ihr nicht kompromittiert werdet. Daisy, wie wär’s mit Spaghetti Bolognese?«
    Sie sah mich achselzuckend an und bestellte eine Lasagne. Ich wollte einen Cappuccino, Thirst ein Steak mit Pommes. Er aß drei Viertel seines Tellers leer, bevor er den Kellner rief.
    »Ich würde gern mit dem Inhaber reden«, sagte Thirst in sanftem, respektvollem Tonfall.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?« Der Kellner war mittelgroß, stämmig und hatte den Mund grimmig zusammengepreßt.
    »Ich würde lieber mit dem Inhaber sprechen«, sagte Thirst.
    »Er ist nicht da.«
    Thirst starrte den Mann an und hob lächelnd die Augenbrauen. »Ich glaube, er ist

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