Eine private Affaere
seine Augen schmerzlicher glänzten in einer Kombination aus intellektuellen Mühen und sich auflösender Identität, in dem er seine keimenden intellektuellen Fähigkeiten schließlich, wie nicht anders zu erwarten, auf sein früheres Leben richtete und den verführerischen Reiz seiner Verbrechen nur noch als Reflexe einer Ratte in der Falle betrachtete – kurz: In dem Maße, in dem die große Verblendung der besseren Bildung ihn immer befangener machte, wuchs Daisys Faszination.
Mir wurde klar, daß ich mich mit meiner Eifersucht getäuscht hatte: Solange er lediglich ein gut gebauter, aufstrebender junger Mann gewesen war, hatte sie ihn nur benutzt, um mich zu necken. Er war ein Objekt ihrer Phantasien gewesen. Doch die Auflösung seiner Seele faszinierte sie nun ernsthaft.
Und ich war ihr so nahe und hing gefühlsmäßig so sehr von ihr ab, daß ich ihre Lust auf ihn wie meine eigene empfand. Ich hätte gut und gerne derjenige mit den bebenden Schenkeln und der feuchten Vagina sein können. Ich verstand ihn besser, als sie es jemals tun würde, und wollte sie warnen.
Doch Thirst zeigte keinerlei Interesse an ihr. Selbst wenn sie ihn anschmachtete und ich beinahe aufstand und ging, weil ich es nicht mehr aushielt, reagierte er völlig gleichgültig auf ihre Reize, denen die meisten anderen Männer nicht widerstehen konnten. Es war, als könne er sie klarer sehen als andere – als eine korrupte und gefährliche Frau. Schließlich war sie ein paar Jahre älter als er, und er verachtete Menschen, die Drogen nahmen.
Daisy und Thirst waren nur selten allein zusammen. Wenn Thirst mit seinen Büchern vorbeikam, was er von Zeit zu Zeit machte, arbeiteten sie vielleicht eine Stunde miteinander. Wir hielten uns dabei gewöhnlich alle drei im selben Raum auf. Dann ging er wieder, häufig mit dem Vorschlag, daß er und ich uns auf einen Drink treffen sollten, wenn ich Zeit hätte.
Meines Wissens kam es nur ein einziges Mal zu einer Abweichung von dieser allgemeinen Regel. Eines Nachmittags unter der Woche saßen Daisy und ich allein zusammen. Das Verfahren, mit dem ich gerade beschäftigt war, war zu einem ziemlich frühen Zeitpunkt vertagt worden, damit die Anwälte ihre Plädoyers vorbereiten konnten. Ich arbeitete an meiner Zusammenfassung für die Geschworenen, die ich am folgenden Morgen vortragen mußte; Daisy probierte ihre neuen Wasserfarben aus. Dann klingelte das Telefon. Daisy ging ran.
»Das war Oliver. Er ist in der Swiss-Cottage-Bücherei und redet sich ein, daß er die ganze Englisch-Prüfung nicht besteht, weil er ein Gedicht von John Donne nicht begreift.« Sie berührte meine Wange. »Macht’s dir was aus? Er ist ziemlich durcheinander – du weißt ja, wie besessen er ist. Er kriegt ’ne Identitätskrise, wenn er was nicht versteht.«
Ich rief mir ins Gedächtnis, daß ich ein zivilisierter, aufgeklärter Angehöriger der Mittelschicht war, und außerdem standen die Chancen, daß es zu einer Begegnung der näheren Art kommen würde, schlecht, weil Thirst kein sonderliches Interesse an Daisy hatte.
»Nein, kein Problem – Daisy Smiths intellektueller Notdienst im Einsatz.«
Sie lächelte und gab mir einen Kuß. »Es dauert nicht lang.«
Ungefähr zwei Stunden später kam sie zurück. Sie war leichenblaß, und ihre Hände zitterten.
Zuerst wich sie meinem Blick aus.
»Was ist los?«
Sie kam zu mir herüber. »Nimm mich in den Arm – bloß einen Moment.«
»Was ist passiert? Hat er dir weh getan? Hat er dich angemacht?«
»Nein, nein.«
»Hast du ihn angemacht?«
»Niemand hat irgend jemanden angemacht. Hör auf mit deiner Eifersucht und nimm mich in den Arm.«
Ich hielt sie fest, und sie sank in sich zusammen.
»Ich bin am Ende – ich geh’ ins Bett.«
Sie zog kaum etwas aus, bevor sie sich hinlegte. Ich versuchte mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren. Mein Mandant hatte sich im Kreuzverhör ungefähr fünfmal selbst widersprochen, allerdings nur in Kleinigkeiten. Sollte ich den Geschworenen ganz offen sagen, daß er log, daß er deswegen aber noch nicht unbedingt schuldig war, oder sollte ich versuchen, die Fehler zu kaschieren? Durch einen ungeheuerlichen Willensakt gelang es mir, mich noch ein paar Stunden zu konzentrieren.
Dann ging ich zu Daisy ins Schlafzimmer und setzte mich aufs Bett. Sie schlief nicht.
»Daisy, meinst du nicht, du solltest es mir sagen? Wenn niemand niemanden angemacht und niemand niemandem weh getan hat, warum dann die Dramatik?«
»Ich will
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