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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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nicht mehr drauf, daß ich endlich irgendwo ankomme.«
    Daisy klatschte in die Hände und besann sich kurzfristig wieder auf ihren New Yorker Akzent: »Im Grunde seines Herzens ist der Junge also doch ein Penner.«
    Ein bißchen beschwipst vom Wein drehte sie mich auf den Bauch, um mir sanft den Rücken zu massieren. Dann drehte sie mich wieder herum, küßte mich und machte langsam meine Jeans auf. Als ich die Hände nach ihr ausstreckte, schob sie sie weg. Sie küßte mein Gesicht und meinen Hals, dann zog sie ihr Top aus, damit ich ihre Brustwarzen küssen konnte. Ich wölbte die Hände um ihre Brüste.
    Plötzlich wirkte sie verletzlich. »Jimmy, jetzt, wo wir so viel Platz haben – möchtest du, daß ich die Pille absetze?«
     
    Ich sagte kein Wort, sondern wandte den Blick den Bruchteil einer Sekunde ab, wie ich es seit Monaten machte, wenn sie diese Frage aufs Tapet brachte. Als ich sie wieder ansah, war ihr Gesicht vor Enttäuschung verzerrt.
    »Ich hab’ gedacht, es wäre nur ein Platzproblem«, sagte sie und hatte dabei Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
    »Du weißt, daß es nicht nur um den Platz geht. Seit ich von der Uni weg bin, reiß’ ich mir den Arsch auf. Das schaffe ich nur, weil ich ständig dran denke, daß ich eines Tages finanziell unabhängig sein werde. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, ein Kind zu ernähren. Schließlich ist das was Lebenslanges. Ich will nicht die nächsten zwanzig Jahre das Gefühl haben, lebendig begraben zu sein. Und wieviel Zeit mit dem Kind hätte ich überhaupt? Tut mir wirklich leid.«
    Es fiel ihr schwer, mir zu antworten: »Ich wünsche mir ein Kind, James. Wirklich.«
    »Warum?«
    Sie wischte sich die Augen mit dem Handrücken ab, stand auf und sprach mit dem Rücken zu mir. »Denk über das nach, was du grade gesagt hast. Da strampelst du dich jahrelang ab, und am Ende stellst du fest, daß du ein Bankkonto geboren hast. Ich möchte etwas Lebendiges zur Welt bringen. Etwas Bleibendes.«

[27]
    Daisy half Thirst weiterhin beim Lernen. Er bekam eine Förderung, so daß er den ganzen Frühling hindurch arbeiten konnte; er riß sich nur von seinen Büchern los, um immer gezieltere und kompliziertere Fragen zu stellen.
    Er hatte sich nicht für die Schule entschieden, an der Daisy unterrichtete und die ich ihm seinerzeit auf der Waterloo Bridge empfohlen hatte, sondern für eine in der Nähe von Elephant and Castle. Doch er wandte sich an sie, wenn es um die Funktion von Wortspielen in Shakespeares Dialogen, die Verwendung des Pathos im Roman des neunzehnten Jahrhunderts oder die Auswirkungen des Education Act von 1914 auf die moderne englische Literatur ging. Die letzte Problemstellung stammte aus der Soziologie, für die er sich immer mehr interessierte.
    Wir trafen uns von Zeit zu Zeit mit ihm, vordergründig, um den Kontakt aufrechtzuerhalten, letztlich aber, weil wir die einzigen Freunde waren, an denen er seinen frisch erworbenen Wortschatz ausprobieren konnte. Der steckte jetzt voll von Worten wie »Einrichtung« (die Polizei war eine Einrichtung, die hauptsächlich dazu diente, finanzielle Interessen zu schützen, und zwar unter dem Vorwand, Gesetz und Ordnung aufrechtzuerhalten) und »präsentiert sich als« (Chaz, sein Lieblingsversuchskaninchen, »präsentierte sich« hauptsächlich aufgrund seiner defizitären Kommunikationsfähigkeit als Trottel, da die für seine Bildung zuständigen Einrichtungen ihn nicht gefördert hatten).
    Wenn er in der richtigen Stimmung war, sagte er solche Dinge, ohne zu erröten. Ich erlebte einmal persönlich, wie er ohne zu stottern in breitestem Cockney folgendes von sich gab: »Inhaftierte erfahren kontrollierte Gewalt, die hauptsächlich durch das Medium der Zeit ausgeübt wird, welche die gleiche und die gegensätzliche Gewalt ist, die die Gesellschaft in der betreffenden Person vor seiner Inhaftierung ausgelöst hat.«
    Das war einer seiner besten Sprüche. Wir applaudierten.
    »Heiße Sache, was?« sagte er.
    Doch ich wußte, daß er trotz der neuen Persönlichkeit, die er sich gerade zulegte, voller Selbstzweifel steckte. In Gegenwart von Daisy kaschierte er seine Fehler immer mit einem ironischen Grinsen, aber wenn er mit mir allein war, blitzte seine Verwirrung hin und wieder auf.
    Ich hatte das unheimliche Gefühl, daß wir Zeugen eines Frankenstein-Experiments wurden, das aus dem Ruder gelaufen war. Doch Daisy war anderer Meinung.
    In dem Maße, in dem Thirst immer schwächer und ernster wurde, in dem

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