Eine Rose im Winter
Mantel hinter ihr aufblähte. Als die Banditen über die Kuppe kamen, brachen sie in ein Freudengeschrei aus. Vor ihnen war die Gestalt mit den schwarzen Flügeln auf der Flucht. Durch die Nacht knallte ein Pistolenschuss, doch die Kugel pfiff ohne Wirkung vorbei.
Weiter vorn auf dem Weg zog Farrell seinen Wallach am Zügel kurz an und wirbelte ihn herum. Nirgendwo konnte er seine Schwester erblicken. Der Schuß war ziemlich weit entfernt gewesen, doch das dumpfe, rumpelnde Geräusch, das ihm folgte, ließ ihn sich in die Dunkelheit zurückziehen. Er schlang sich den Zügel um seine verkrüppelte Hand und prüfte die Ladung der Waffen. Dann mahnte er das Mädchen hinter sich zur Vorsicht und wartete.
Es dauerte eine Zeit, bis Erienne in Sicht kam, und als er ihre Verfolger wahrnahm, brachte er seine Pistole in Anschlag. Er krümmte seinen Finger, feuerte einen Schuß ab, und die ganze Gruppe kam gleich darauf in einer riesigen Staubwolke zum Stehen. Farrell warf die Pistole weg und packte die lange Muskete. Er legte sie auf den verkrüppelten Oberarm und zielte sorgfältig. Der Schuß krachte und traf. Ein Dieb warf sich mit einem lauten Schrei herum. Er schwankte einen Augenblick im Sattel, bis es ihm gelang, sein Pferd zu wenden und auf dem Weg zurückzugaloppieren. Seine Kumpane gaben ebenso schnell entschlossen die Verfolgung auf. Alle, außer dem unentwegten Sheriff, der hinter ihnen her schrie.
»Kommt doch zurück, ihr Dummköpfe! Mag sein, daß wir einen oder zwei verlieren, doch wenn wir zusammenhalten, kriegen wir ihn! Ich sage euch, kehrt um!«
Einer der Flüchtenden widersprach ihm in grobem Ton. »Du ganz allein bist der Dummkopf, wenn du glaubst, wir reiten weiter und lassen uns von dem Kerl vom Pferd schießen! Mach du das allein!«
Farrell hatte inzwischen zu seiner zweiten Pistole gegriffen und schoß erneut. Die Kugel flog dicht an Parkers Ohr vorbei und bestärkte ihn in der Überzeugung, daß kluges Abwägen der bessere Teil der Tapferkeit war. Er kam zu dem Schluß, daß es tatsächlich töricht wäre, den Geisterreiter fangen zu wollen, solange dieser gut bewaffnet war und man nicht wußte, wieviel Pistolen und Gewehre seine Begleiter hatten. In dieser Nacht standen die Dinge nicht gut für ihn, doch die Zeit würde kommen, wenn er ihm wieder gegenüberstand. Jedenfalls versprach er sich das.
Erienne sah die letzten der Diebe in der Nacht verschwinden. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte sie, als sie bemerkte, daß die Reiter die Verfolgung aufgegeben hatten. Die größere Sorge jedoch blieb, wo sich wohl Christopher befand. Wenn die Mordbanditen ihn verfolgt hatten, wo war er dann? Lag er irgendwo verwundet? Brauchte er ihre Hilfe?
Farrell ritt neben seiner Schwester, bis sie die vertraute Umgebung von Saxton Hall erreichten. Dann winkte sie ihm zu, weiterzureiten.
»Bring das Mädchen ins Haus«, bat sie ihn. »Aggie wird sich um sie kümmern. Ich komme gleich nach.«
»Hast du auch keine Angst?« fragte er. »Vielleicht ist der Geisterreiter noch hier irgendwo.«
»Sieh nach dem Mädchen, Farrell«, befahl Erienne mit schwesterlicher Autorität. »Schnell!«
Sobald ihr Bruder außer Sicht war, wendete Erienne die Stute zum Wald hin und ritt in Richtung des versteckten Hauses. Das Mondlicht fiel durch die kahlen Zweige, zeichnete dunkle, verwirrende Muster auf die mit Blättern bedeckte Grasnarbe und verwischte den Weg. Erienne beobachtete aufmerksam die Schatten und rechnete fast damit, daß sie durch eine neue Bewegung erschreckt würde, bis sie das Haus erreichte. Die Fenster waren dicht verschlossen, und durch die Bretter fiel keinerlei Licht, das auf Bewohner hätte schließen lassen können. Nichts rührte sich. Auch der Landauer ihres Mannes war nicht zu sehen. Der Platz schien weitgehend verlassen zu sein.
Sie blieb auf dem Grasboden, um das Geräusch der Hufe zu dämpfen, und ritt an der Vorderseite des Hauses entlang zum anderen Ende. Aus einem der Ställe kam ein prustendes Schnauben, das ihre Neugier weckte. Wenn Sarazen hier war, dann konnte Christopher nicht weit sein, und sie brauchte sich keine Sorgen zu machen. Sie ließ sich vom Pferd gleiten und bahnte sich einen Weg durch die Büsche. Die Tür gab ein leises, quietschendes Geräusch von sich, als sie öffnete, und das Pferd, das Sarazen gegenüber stand, spitzte die Ohren. Das Tier beobachtete sie mit gespannter Aufmerksamkeit und ließ ein leises Wiehern hören, als es ihr seine Nase über das Gatter
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