Eine Rose im Winter
sitzen bleiben und mich im Regen mit Ihnen streiten.« Er gab seinem Hengst die Sporen, und ihr Protest ging unter, als das Tier in gestrecktem Galopp davonlief. Sie wurde gegen seine starke Brust zurückgeworfen und konnte, wollte sie nicht herunterfallen, den Arm nicht verweigern, den er um sie schlang. Obwohl sie das nie offen zugegeben hätte, war sie dankbar für die Sicherheit und den geborgenen Sitz in seinem Schoß.
Der heftige Wind ließ den Regen schnell durch ihren Mantel dringen und in kalten Rinnsalen an ihrem zerrissenen Mieder herunterlaufen. Erienne versuchte einen vorsichtigen Blick nach oben auf die rasch dahin treibenden Wolken zu werfen, doch die großen, schweren Regentropfen zwangen sie, ihr Gesicht abzuwenden und an seiner Brust Schutz zu suchen. Während er auf sie herabsah, zog Christopher seinen Mantel nach vorn, um sie vor dem Regen zu schützen, doch schon im nächsten Augenblick schien es, als ob ein ganzer Sturzbach auf sie niederging. Eiskalte Wassermassen durchnässten ihre Kleider, bis sie so schwer wurden, daß sie sich kaum noch bewegen konnten. Unbarmherzig trieb der Wind den eisig kalten Regen von allen Seiten auf sie zu.
Durch den dichten Regen wurden in der Ferne die undeutlichen Umrisse eines Gebäudes sichtbar. Christopher trieb den Hengst von der Straße weg in diese Richtung. Die kahlen Zweige boten keinen Schutz vor dem Sturm, sie griffen vielmehr nach ihnen und schlugen auf ihre Kleider, als ob sie Erienne am Durchgang hindern wollten.
Als die beiden näher kamen, konnten sie in dem Gebäude einen alten verlassenen Stall erkennen. Daneben stand eine verfallene Hütte, doch ohne ein Dach konnte in ihren zerborstenen Wänden niemand außer den allerkleinsten Tieren eine Unterkunft finden. Die Stalltore standen gähnend weit offen, ein Flügel hing schief an einem alten rostigen Scharnier. Abgestorbene Weinranken schlangen sich um das Gebäude, und vor dem Eingang lag ein halb verfaulter Holzstamm. Trotz des verwahrlosten Zustandes bot die Scheune noch viel mehr Schutz als die Hütte.
Christopher hielt vor dem Tor und streckte seine Hände hoch, um Erienne herunterzuheben. Der Wind fing sich unter ihrem nassen Mantel und sandte ein Gefühl schneidender Kälte durch ihren Körper, als sein kalter Atem ihr nasses Kleid erfasste. Sie zitterte hemmungslos, als Christopher sie über den Holzstamm in das Dunkel des Innenraumes trug. Er stellte sie auf die Füße und sah sich im dunklen Schatten um.
»Nicht ganz so gemütlich wie die Löwentatze, aber wenigstens sind wir hier vor dem Sturm sicher«, bemerkte er. Während er seinen vollkommen durchnässten Mantel ablegte, warf er einen Blick auf sie und zog vorsichtig die Augenbrauen nach oben. »Sie sehen aus wie ein ertrunkenes Kaninchen.«
Eriennes zitterndes Kinn hob sich, als sie ihm kühl in die Augen sah. Von der Kälte geschüttelt war es für sie schwierig, ihn wirkungsvoll in die Schranken zu weisen, doch sie versuchte es trotzdem. »Meinen Sie etwa, daß Claudia u-unter diesen Umständen ein b-b-besseres Bild abgeben würde?«
Christopher mußte bei der Vorstellung einer Claudia lachen, die versuchte, in einem großen Sommerhut, der ihr nass über die Ohren hing, elegant auszusehen. »Sie brauchen auf sie nicht eifersüchtig zu sein«, gab er schnell zurück. »Ich bin wegen Ihnen mit nach Wirkinton gekommen.«
»Aha! D-d-das geben Sie a-also zu.«
»Natürlich.«
Erienne starrte ihn mit leerem Blick etwas hilflos an; irgendwie hatte er durch sein Eingeständnis ihre gefährliche Frage entkräftet.
Christopher lachte in sich hinein und ging hinaus, um den Hengst durch das Tor zu führen. Während Erienne sich in ihren nassen Sachen frierend umschlungen hielt, schnallte er eine Rolle hinterm Sattel los. Er entfaltete seinen langen Reitermantel, warf ihn ihr zu und wandte sich dann wieder um, um abzusatteln, wobei er ihr über die Schulter zurief: »Bevor Sie sich erkälten, ziehen Sie sich das besser über.«
Sie zog ihren vom Wasser schweren Mantel um so fester zu und wandte ihr Gesicht ab, da ihr Stolz es nicht zuließ, sich andernfalls in ihrem zerrissenen Kleid zu zeigen. »Ich bedanke mich für das ritterliche Angebot, Mr. Seton. Ich brauche es aber nicht.«
Christopher krauste die Stirn, als er sie über die Schulter anschaute. »Wollen Sie mir beweisen, wie töricht Sie sein können?«
»Töricht oder n-n-nicht, ich werde das Ding nicht anziehn.«
»Sie werden es anziehen«, bemerkte er kurz und ließ
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