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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Center
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regelmäßiges Mitglied in einem Fitness-Studio. Er sah aus wie ein Mann. Alles an ihm war breiter und stärker. Obwohl er immer noch die leicht schiefe Nase hatte, und ein Ohr, das ein klein wenig abstand, und die weiße Narbe an seinem Kinn, die er dem Spachtel seines Cousins zu verdanken hatte. Kurz spürte ich das Verlangen, sie zu berühren.
    Dann merkte ich, dass ich den Atem anhielt. Er hatte allen Grund, mich zu hassen, und ich fragte mich, ob er es immer noch tat. Bestimmt nicht, oder? Nicht nach all den Jahren.
    »Wow«, sagte er und ließ dann den Blick über mein Gesicht schweifen. »Du bist alt geworden.«
    Eine Stichelei. Mit einer Stichelei hatte ich nicht gerechnet. In meiner Erinnerung war er immer nur lieb und total verknallt gewesen. Und überhaupt, sollten Menschen, die sich jahrelang nicht gesehen haben, nicht nett zueinander sein? Aus Respekt vor der verstrichenen Zeit, wenn schon vor sonst nichts?
    Doch jetzt hatte er damit angefangen. Und ich war zu gelähmt, um zurückzusticheln. Ich hätte alles für eine schlagfertige Erwiderung gegeben, brachte aber nur ein mickriges Seufzen zustande. Außerdem konnte ich an nichts anderes denken als an seinen Mund direkt vor mir, nur Zentimeter von meinem entfernt. Ein Mund, den ich schon geküsst hatte, auch wenn ich ihn im Grunde nicht wiedererkannte. Bei einer polizeilichen Gegenüberstellung hätte ich keine Chance gehabt.
    Eine Sekunde lang fragte ich mich, ob er es ernst meinte, oder ob er bloß fies sein wollte. Dann wurde mir klar, dass es keinen Unterschied machte. Anscheinend war das der Stand der Dinge. Er hatte mir nicht verziehen. Wir waren Feinde fürs Leben.
    Ich beschloss, den Anstand zu wahren. »Schön, dich wiederzusehen, Everett. Freut mich, dass deine Akne verheilt ist.«
    Dann schob ich mich weiter und ließ mich nieder, während Everett neben mir seinen Kopfhörer aufsetzte und einen Laptop herauszog. Ich hatte endlich meinen Sitzplatz erreicht, doch entspannen konnte ich mich trotzdem nicht. Everetts Ellbogen berührte meine Hüfte, und jedes Mal, wenn das Flugzeug schwankte, rieb er gegen mich.
    So viel zum Thema Schlafen.
    Eigentlich rechnete ich ständig damit, dass wir uns einander zuwenden und darüber lachen würden, wie dumm Highschool-Kids sind, darüber, dass die Jugend im Grunde an die jungen Menschen vergeudet wird. Schließlich war es mehr als zwölf Jahre her, dass wir miteinander gegangen waren. Mittlerweile waren wir dreißig. Bestimmt hatte doch die Zeit die Beleidigungen und Verletzungen gelindert. Von New York nach Texas war es ein langer Flug, und ich hielt es für durchaus möglich, das Kriegsbeil zu begraben. Ich bereitete meine Entschuldigung vor – oder versuchte es wenigstens. So recht wusste ich nicht, wie ich mein damaliges Verhalten erklären sollte. Ich war einfach nur dumm gewesen. Erst siebzehn. Ich fühlte mich geschmeichelt von dem Fußballspieler. Ich wusste nicht, wer ich war, und dachte, die Liebe wäre leicht. Ich war der Meinung, das Leben wäre ganz anders und überhaupt nicht so, wie es sich herausgestellt hatte.
    Meine Schwester Mackie holte mich vom Flughafen in Houston ab, und als sie in ihrem Wagen anhielt, nicht einmal einen Meter von mir entfernt, war ich derart beschäftigt, Everett Thompson zu ignorieren, dass ich sie gar nicht sah.
    Schließlich hupte sie.
    Ich umarmte sie beim Einsteigen. Sie trug die Ohrringe, die ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, und hatte sich den Pony mit einer winzigen Haarspange zur Seite gesteckt. »Du siehst wieder mal umwerfend aus«, sagte ich.
    Sie küsste mich auf die Wange. »Nicht so umwerfend wie du, Babe.«
    Wir fuhren los, und ich lehnte mich in meinen Sitz zurück. Ich wollte die letzten vierundzwanzig Stunden in allen Einzelheiten mit ihr durchgehen und sie möglicherweise dazu zwingen, mir meinen Job wiederzubeschaffen, doch sie hatte ein eigenes Thema parat. Sobald mein Gurt eingerastet war, sagte sie: »Ich möchte bloß, dass du es weißt: Ich gebe es auf.«
    Mir war immer noch von den »leichten Turbulenzen« schlecht, die wir auf dem Landeanflug erlebt hatten. »Was gibst du auf?« Ich kurbelte das Fenster runter.
    »Du weißt schon.« Das Stricken? Das Kaufen von Anti quitäten? Knabbereien am späten Abend? Ich konnte immer noch Everett Thompsons Ellbogen spüren, wenn ich daran dachte. Also dachte ich nicht mehr daran.
    »Ich gebe es auf, es zu versuchen.«
    Jetzt kapierte ich es. Ich drehte mich ihr zu. »Du willst deinen

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