Eine Schwester zum Glück
Kinderwunsch aufgeben?«, fragte ich.
Mackie nickte. Sie war tags zuvor beim Arzt gewesen, und dieser hatte genau das Gleiche gesagt wie all die anderen Spezialisten – über ihre Endometriose und ihre Ver suche, ein Kind zu bekommen –, wenn auch in poetischeren Worten: Ihre Gebärmutter war zugeschnürt von seilartigen Knoten aus Narbengewebe. Sie konnte sich nicht dehnen, ein Baby hatte keinen Platz darin, und man konnte nichts machen.
Im Grunde war das natürlich nichts Neues. Wir alle hatten es gewusst, seitdem sie angefangen hatte, es zu versuchen. Doch wir hatten geglaubt, Mackie könnte es mithilfe von Optimismus und Eifer doch schaffen. Die ganzen anderen Wunder, die nötig waren, um ein Baby zu be kommen, funktionierten – Mackie wurde ohne Weiteres schwanger. Es schien ihr nur nicht zu gelingen, schwanger zu bleiben. Wir waren wohl davon ausgegangen, wenn sie nur lange genug dabeibliebe, würde uns schon etwas einfallen. Doch von heute Abend an würde sie nicht mehr dabeibleiben. Sie versuchte nun schon seit sechs Jahren, ein Baby zu bekommen, und heute, im Wagen auf der mautpflichtigen Autobahn, gab sie es auf, als wäre irgendetwas jemals im Leben so einfach.
»Was wirst du tun?«
»Du meinst stattdessen? Anstatt Mutter zu werden?«
»Genau.«
»Darüber habe ich schon nachgedacht«, sagte sie. »Ich werde mich wieder an der Uni einschreiben. Ich brauche einen interessanteren Beruf.«
Ich konnte nachvollziehen, weshalb es sie im Moment reizte, die Sache ganz sein zu lassen. Vielleicht würde sie eines Tages, mit einem gewissen Abstand, eine Adoption in Erwägung ziehen. Aber manchmal will man eben einfach genau das, was man will.
Sie fuhr fort: »Ich werde anfangen, dekorative Porzellan teller zu sammeln. Ich habe mich entschlossen, Quilten und Schachspielen zu lernen. Ich lege mir eine bessere Fri sur zu und suche mir einen Personal Trainer. Außerdem melde ich mich als Freiwillige im Frauenhaus und klebe den Salzstreuer in Karottenform wieder zusammen. Und ich lese endlich dieses Buch über den Hahn, das alle gelesen haben.«
»Nymphensittich.«
»Wie auch immer.«
»Das klingt alles prima!« Ich hörte selbst, dass mein Enthusiasmus aufgesetzt klang.
»Ich könnte auch Modern Dance belegen«, fügte sie hinzu. »Vielleicht. Wenn ich keinen Turnanzug tragen muss.«
»Du bist erwachsen«, sagte ich. »Keiner kann dich zwingen, einen Turnanzug zu tragen.«
Mittlerweile befanden wir uns auf dem Highway, mit hochgekurbelten Fenstern, und düsten auf das Herz von Houston zu, zurück in die Gegend, in der wir zusammen aufgewachsen waren. Bloß ein paar Blocks weiter wohnten jetzt Mackie und ihr Ehemann Clive in einem Haus, das sie selbst gebaut hatten.
Mackie hieß eigentlich Mary Katherine, ein Name, der überhaupt nicht zu ihr passte, und ich hieß Sarah Jane. Im Alter von zwei Jahren hatte ich mir »Mackie« ausgedacht, wofür sie sich immer noch manchmal bei mir bedankte.
Sie war nur ein Jahr älter. Wir sahen einander sehr ähnlich – à la Olsen-Zwillinge, auf eine Man-weiß-dass-sie-nicht-eineiig-sind-aber-man-kann-sie-nicht-auseinander halten-Art. Wir waren gleich groß, wogen gleich viel, hatten die gleichen Sommersprossen und roten Haare. Die glei che BH -Größe. Wir hatten sogar die gleichen Locken – bloß dass Mackie jeden Morgen aufstand und ihre mit einem Glätteisen bändigte.
Hätten wir auch noch die gleichen Haare, würden die Leute uns für Zwillinge halten. Ehrlich gesagt war Mackies Nase ein bisschen gerader und ihre Eckzähne länger; ich dagegen hatte einen längeren Hals und ein spitzeres Kinn. Meine Augen waren haselnussbraun, ihre waren stahlblau. Außerdem hatte sie diese Zehen, bei denen der zweite länger war als der große Zeh – viel länger, im Grunde irre viel länger. Eigentlich waren alle ihre Zehen lang, und in unserer Kindheit ließ ich es mir nicht nehmen, sie ihre »Würmer« zu nennen.
Mackie glättete sich, seit ich denken kann, ihre Haare – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg –, und ich glaube, einzig und allein aus dem Grund verwechselten uns die Leute nie. Ich war die Harper-Schwester mit den Wuschel haaren – auch wenn man genau genommen sie als die Harper-Schwester mit den braven Haaren bezeichnen müsste, denn sämtliche Frauen in unserer Familie hatten Korkenzieherlocken, außer meiner Mutter, deren seidige Glätte immer Mackies Goldstandard gewesen war. Mackie bewahrte sogar eine lange Strähne von ihrem Haar in einer
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