Eine schwimmende Stadt
Schraube zusammengeschweißt ist.
– Bravo! rief ich; ein zusammengeschweißter Maschinenbauer;
ben trovato!
Sie glauben das natürlich, lieber Doctor?
– Ich glaube, antwortete Pitferge, daß unsere Reise unheilvoll begonnen hat und schlimm enden wird.
– Der Great-Eastern ist ein solides Fahrzeug, hielt ich ihm entgegen, und von solcher Festigkeit, daß er Widerstand zu leisten vermag wie ein einziger Block, und der wüthendsten See Trotz bietet.
– Er ist solide, das gebe ich zu, versetzte der Doctor; lassen Sie ihn aber erst einmal in die Höhlung der Wogen gerathen, dann werden wir sehen, ob und wie er wieder herauskommt. Er ist allerdings ein Riese unter den Schiffen; aber ein Riese, dessen Kraft nicht mit seiner Größe im Verhältniß steht; die Maschinen sind bei Weitem zu schwach für ihn. – Haben Sie von seiner neunzehnten Reise zwischen Liverpool und New-York gehört?
– Ich kann mich nicht erinnern.
– Nun, ich war auch damals an Bord. Wir hatten Liverpool am 10. December, einem Dienstag, verlassen. Die Passagiere waren zahlreich, hatten das beste Vertrauen, und Alles ging gut, so lange wir durch die irländische Küste vor den Wogen der hohen See gedeckt waren; wir merkten weder Rollen, noch hatten wir Kranke. Am anderen Tage die gleiche Indifferenz des Great-Eastern gegen das Meer, und das gleiche Entzücken der Passagiere. Am 12. gegen Morgen wurde der Wind frisch; die Schlagwellen des hohen Meeres faßten uns in der Quere und der Dampfer begann zu rollen. Passagiere, Männer wie Frauen, verschwanden sofort in die Cajüten. Um vier Uhr hatte sich der Wind in förmlichen Sturm verwandelt, die Möbel singen an hin und her zu tanzen; einer der großen Spiegel im Salon zertrümmerte durch eine gewaltsame Carambolage mit meinem höchsteigenen Haupt; das ganze Geschirr lag stoßweise zerschellt auf dem Boden – kurz ein Heidenlärm! Eine Sturzwelle riß acht Boote von den Taljen los. Jetzt wurde unsere Lage kritisch; die Radmaschine mußte angehalten werden, denn ein ungeheures Stück Blei, das sich durch das Rollen verschoben hatte, drohte, sich in ihren Theilen zu verfangen. Die Schraube trieb uns indessen noch immer vorwärts. Bald nahmen auch die Räder, wenn auch mit halber Geschwindigkeit, ihre Thätigkeit wieder auf, aber das eine hatte sich während des Anhaltens verdreht, und seine Speichen und Schaufeln kratzten am Rumpf des Schiffes her. Man mußte die Maschine von Neuem anhalten und sich, um beizulegen, mit der Schraube begnügen. Die folgende Nacht war schauerlich; der Sturm hatte sich noch verdoppelt, und der Great-Eastern war in die Hohle der Wogen gerathen, aus der er sich nicht wieder herausarbeiten konnte. Bei Tagesanbruch sahen wir, daß nicht ein einziger Beschlag an den Rädern geblieben war und man versuchte, einige Segel aufzuhissen, um zu schwenken und das Schiff wieder seegerecht zu machen. Keine Hilfe! der Sturm riß sie augenblicklich wieder fort. Ueberall herrschte die unbeschreiblichste Verwirrung. Die Kabelketten hatten sich aus ihren Klüsen herausgerissen und rollten von einem Bord zum andern. Ein Viehgitter war durchbrochen worden, und eine Kuh fiel durch die Treppenluke in den Damensalon hinunter; das Hauptstück des Steuers ging entzwei, und an ein Lenken des Schiffes war nun nicht mehr zu denken. Entsetzliche Stöße machten sich bemerkbar; ein Oelbehälter, der mindestens 3000 Kilos wog, und dessen Seisinge zerbrochen waren, fegte das Zwischendeck und schlug abwechselnd so heftig gegen die inneren Seiten, daß man ein Bersten fürchten mußte. Der Sonnabend verging unter allgemeinem Entsetzen, ohne daß das Schiff sich aus der Hohle herausarbeiten konnte. Am Sonntag erst begann der Wind sich zu mäßigen, und es gelang einem amerikanischen Ingenieur, der sich als Passagier an Bord befand, über das Hauptstück des Steuers Ketten zu schlagen. Man machte allmälig die erforderlichen Evolutionen, der Great-Eastern fuhr nun wieder quer durch die Wellen, und acht Tage, nachdem wir Liverpool verlassen hatten, hielten wir unseren Einzug in Queen’stown. – Wer aber kann wissen, Herr, wo wir heute in acht Tagen sind?«
Neuntes Capitel.
Das Wrack.
Man muß gestehen, daß Doctor Dean Pitferge’s Nachrichten gerade nicht sehr beruhigend waren; unsere weiblichen Passagiere würden ihm nicht ohne ein leises Grauen zugehört haben. Sollte all dieses ein Scherz sein, oder sprach er in vollem Ernst, und verhielt es sich wirklich so, daß er alle Fahrten des
Weitere Kostenlose Bücher