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Eine schwimmende Stadt

Eine schwimmende Stadt

Titel: Eine schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dreiundfünfzig, ohne sich auch nur im Geringsten um den Lärm der anderen Claviere, die in den Nebensälen erklangen, noch um sonstige Störungen zu kümmern. Sie hatte sogar nichts dagegen, wenn die eigensinnigen Kinder auf den von ihr gerade nicht benutzten Octaven mit den Fäusten herumhämmerten.
    Während dieses Concerts nahmen die Nebenstehenden auf’s Gerathewohl hier und da umliegende Bücher, und lasen auch wohl eine besonders interessante Stelle vor, die die lauschenden Zuhörer dann mit wohlgefälligem Gemurmel begrüßten. Auf den Sophas trieben sich gewöhnlich eine Masse jener amerikanischen und englischen Zeitungen herum, die immer schon alt aussehen, obgleich sie fast nie aufgeschnitten werden. Es ist höchst lästig, diese Blätter, mit denen man eine Fläche von mehreren Quadratmetern bedecken könnte, auseinanderzufalten, aber das Aufschneiden ist eben nicht Usus, und so unterbleibt es. Eines Tages hatte ich es wirklich über mich vermocht, unter diesen erschwerenden Umständen den »New-York-Herald« zu Ende zu lesen, und wie wurde ich dafür belohnt, als ich zur Rubrik »Personal« kam?
     

    Leute aus dem Far-West an Bord des Great-Eastern. (S. 51)
     
    »Herr X …. bittet hiermit das hübsche Fräulein Z …., dem er gestern im Omnibus der fünfundzwanzigsten Straße begegnete, ihn morgen im Hotel St. Nicolaus, Zimmer No. 17, aufzusuchen; er wünscht sich mit ihr über Heirat und Liebe zu unterhalten.« Ob das hübsche Fräulein Z …. auf diese Offerte eingegangen ist, verlangte mich sehr wenig zu wissen.
    Ich brachte den ganzen Nachmittag beobachtend und plaudernd im großen Saal zu, und diese Unterhaltung muß wohl nicht uninteressant gewesen sein, denn auch Freund Pitferge gesellte sich zu mir.
    »Haben Sie sich von ihrem Falle erholt? fragte ich ihn.
    – Vollständig, lautete die Antwort, aber er kommt nicht vorwärts.
    – Wer? Sie vielleicht?
    – Nein, unser Steamer; die Kessel der Schraube arbeiten schlecht, und so können wir nicht genug Druck gewinnen.
    – Sie sind wohl sehr pressirt, in New-York anzukommen?
    – Durchaus nicht; ich sehe die Sache nur vom Standpunkt des Maschinenbauers an. Was mich betrifft, so werde ich sehr bedauern, so bald schon von dieser Vereinigung von Originalen Abschied nehmen zu müssen, die der Zufall zu meinem Amüsement hier an Bord zusammengewürfelt hat.
    – Originale? rief ich erstaunt, indem ich mir die Gesellschaft im Saale ansah; all diese Leute sehen ja aus, wie in derselben Form gebacken!
    – Bah! meinte der Doctor, man sieht sofort, daß Sie hier Niemanden kennen. Die Species ist dieselbe, das will ich zugeben, aber in dieser Species – wie viel Abarten! Betrachten Sie sich gefälligst dort unten auf den Divans diese Gruppe ungenirt ausgestreckter Männer mit den Hüten auf dem Hinterkopf. Das sind Yankees reinster Race aus den kleinen Staaten Maine, Vermont oder Connecticut, einsichtsvolle, thätige Menschen sonst, obgleich sie sich etwas zu sehr von den Reverends beeinflussen lassen und es nicht genau damit nehmen, das Taschentuch beim Niesen vorzuhalten. Nun, mein lieber Herr, es sind richtige Sachsen und demzufolge gewandte, gewinnsüchtige Naturen! Wenn man zwei Yankees in ein Zimmer schließt, kann man sich darauf verlassen, daß nach einer Stunde Jeder dem Andern mindestens zwei Dollars abgewonnen hat.
    – Ich will Sie in dieser Sache nicht weiter um das ›Wie‹ fragen, erwiderte ich lachend, können Sie mir aber vielleicht sagen, wer dort der kleine Mann mit den etwas zu kurzen Beinkleidern und dem langen Ueberrock ist, dessen Nase so auffallend an den Mond im ersten Viertel erinnert?
    – Ein protestantischer Geistlicher und sehr considerabler Mann aus Massachusetts. Er will sich seine Frau, eine ehemalige Erzieherin, holen, die höchst vortheilhaft in einem berühmten Processe compromittirt worden ist.
    – Und der große Melancholische; er scheint in tiefe Berechnungen versunken zu sein?
    – Sie haben sich nicht getäuscht, er rechnet allerdings, und zwar ist dies seine stehende Beschäftigung; er rechnet fortwährend.
    – Exempel und Aufgaben?
    – Nein, er berechnet sein Vermögen – übrigens ein sehr considerabler Mann – er weiß in jedem Augenblick bis auf den Centime, was er besitzt, obgleich er reich ist; ein ganzes Stadtviertel von New-York ist auf seinem eigenen Grund und Boden erbaut. Vor einer Viertelstunde hatte er 1.625,367 1/2 Dollars, jetzt aber hat er nur noch 1.625,367 1/4 Dollars.
    – Wie kommt

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