Eine schwimmende Stadt
mittelmäßig fand, ausgeführt, riefen neue Bravos und Beifalls-Acclamationen hervor. Eine sehr lebhafte Discussion entspann sich zwischen einem Anhänger der Nordstaaten und einem Texaner. Dieser Letztere wünschte sehr entschieden für die Südstaaten einen Kaiser, und die politische Debatte war auf dem besten Wege, in einen persönlichen Streit auszuarten, als die Ankunft folgender imaginären Depesche an die »
Ocean-Time
« gemeldet und verlesen wurde: »Kapitän Semmes, Kriegsminister, hat die Verheerungen des Alabama von dem Süden bezahlen lassen!«
Neunzehntes Capitel.
Fabian und die schwarze Dame.
Hauptmann Corsican und ich verließen den hellerleuchteten Saal und stiegen miteinander auf’s Verdeck. Die Nacht war außerordentlich finster, kein Stern am Firmament zu sehen, und rings um das Schiff lag undurchdringlicher Schatten auf dem Meer. Die Fenster der Gesellschaftszimmer glänzten wie Ofenfeuer in das Dunkel hinein; die Wachthabenden waren kaum zu erkennen, wie sie schwer auf dem Deck auf-und niederschritten, und wir Beide sogen in vollen Zügen die frische Luft ein.
»Ich bin fast im Saale erstickt, sagte Archibald; hier schwimmt man doch wenigstens in freier Atmosphäre; das wirkt belebend! Wenn ich nicht alle vierundzwanzig Stunden mindestens meine hundert Cubikmeter reine Luft bekomme, kann ich nicht existiren.
– Dann athmen Sie hier recht nach Herzenslust, Hauptmann, erwiderte ich, Sauerstoff ist eine schöne Sache, die unsere Pariser und Londoner eigentlich nur dem Namen nach kennen.
– Sie ziehen den Kohlenstoff vor, bemerkte Corsican; nun, Jeder nach seinem Gusto; was mich betrifft, so ist er mir sogar im Champagner zuwider.«
Die schwarze Dame. (S. 83.)
Während wir so miteinander plauderten, gingen wir, durch die hohe Wand der Gesellschaftszimmer vor dem Winde geschützt, am Steuerbord entlang. Dicke, funkenhaltige Rauchwirbel drangen aus den schwarzen Schornsteinen, das Getöse der Maschinen begleitete das Pfeifen der Brise in den eisernen Wanten, daß sie wie die Saiten einer Harfe erklangen, und von Viertelstunde zu Viertelstunde ertönten die Rufe der Matrosen an Bord: »
All’s well! All’s well!
« (Alles in Ordnung! Alles in Ordnung!)
Keine Vorsicht für die Sicherheit des Schiffes in diesen von Eisblöcken heimgesuchten Breiten war vernachlässigt worden. Der Kapitän ließ nach Verlauf jeder Viertelstunde einen Eimer Wasser schöpfen, um die Temperatur desselben zu prüfen, und hätte, im Fall diese sich als zu niedrig herausstellte, keinen Augenblick angestanden, die Route zu wechseln. Er wußte sehr wohl, daß vierzehn Tage vorher der »Pereire« unter dieser selben Breite von Eisbergen blokirt worden war, und dies war eine Gefahr, die durchaus vermieden werden mußte.
Uebrigens schrieb auch die Nachtordnung auf dem Schiffe eine strenge Wachsamkeit vor. Der Kapitän selbst begab sich nicht zur Ruhe, und zwei Officiere, der eine an den Rädersignalen, der andere an denen der Schraube, blieben ihm auf dem Stege zur Seite. Außerdem hielten zwei Mann auf dem Logis des Vorderdecks Wache, während ein Bootsmann und ein Matrose sich an dem Vordersteven des Dampfschiffes aufhielten. Die Passagiere hatten keine Ursache, sich zu beunruhigen.
Nachdem Hauptmann Corsican und ich all diese Anordnungen beobachtet hatten, kehrten wir nach dem Hinterdeck zurück; wir wollten, bevor wir in unsere Cajüten zurückgingen, noch einige Zeit auf dem großen Deckzimmer zubringen, wie wohl friedliche Städter noch auf einem Marktplatze promeniren, ehe sie sich in ihre Häuser zurückziehen.
Auf den ersten Blick schien der Ort vollständig leer zu sein; bald jedoch, als sich unsere Augen mehr an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkten wir eine einsame Gestalt, die auf das Geländer gestützt stand und unbeweglich vor sich hinstarrte.
»Es ist Fabian«, flüsterte Corsican mir leise zu.
Ja, er war es wirklich, aber obgleich wir Beide ihn bemerkt und erkannt hatten, sah er uns nicht und blickte noch immer, wie in stummer Betrachtung verloren, nach einem Winkel des Verdecks. Wonach sah er dort? Wie konnten seine Blicke die tiefe Dunkelheit durchdringen? Ich hielt es für besser, ihn nicht zu stören, aber der Hauptmann näherte sich ihm und rief:
»Fabian?«
Fabian antwortete nicht, und Corsican rief von Neuem. Da zuckte Fabian zusammen, wandte uns für einen Augenblick sein Gesicht zu und sagte ein einziges Wort:
»Still!«.
Dabei zeigte er mit der Hand auf einen Schatten,
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