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Eine schwimmende Stadt

Eine schwimmende Stadt

Titel: Eine schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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komischen Eindruck machten. Sie waren mit allerlei zusammengesuchten Lumpen bekleidet, die Knöpfe von Schiffszwieback zum Ausputz hatten, und benutzten Operngucker von zwei zusammengebundenen Flaschen und Maultrommeln von der verwegensten Beschaffenheit. Die Kerle benahmen sich ziemlich drollig, sangen allerlei burleskes Zeug, improvisirten Unsinn und ergingen sich in Vorspielen und Räthselfragen.
    Durch den übermäßigen Beifall immer mehr angespornt, verdoppelten sie ihre Verrenkungen und Grimassen, und zum Schluß führte ein Tänzer mit affenhafter Behendigkeit einen lustigen Hopfer aus, der die Versammlung förmlich hinriß.
    So interessant jedoch dieses Programm für Viele sein mochte, alle Passagiere hatte es doch nicht angezogen. Eine große Menge befand sich in dem großen Saal des Vordertheils und drängte sich hier um die Tische, an denen gespielt und zwar hoch gespielt wurde.
    Die Gewinner suchten das während der Ueberfahrt Erworbene festzuhalten, und die Verlierenden, je näher wir unserem Ziel kamen, das Ihre durch kühne Einsätze zurückzubekommen. Der Bankier rief mit scharfer Stimme die einzelnen Würfe aus, die Verlierenden fluchten, Gold-und Papiergeld klang und knitterte – dann entstand ein plötzliches Schweigen, das durch irgend einen kühnen Wurf hervorgebracht und, als das Ergebniß bekannt gemacht war, durch laute Ausrufe und Tumult unterbrochen wurde.
    Für mich waren diese Scenen im Smoking-room sehr wenig anziehend, da das Spiel mir geradezu Schauder einflößt, denn es ist in jedem Fall ein rohes, oft aber auch ein ungesundes Vergnügen. Der von der Spielwuth fortgerissene Mensch hat nicht nur dieses eine Leiden; nach der ganzen Natur des Lasters muß es stets und überall noch andere nach sich ziehen, und außerdem spinnt es sich fast regelmäßig in sehr gemischter Gesellschaft ab. Hier dominirte Harry Drake mit seinen Getreuen, dort versuchten einige Abenteurer, die ihr Glück in Amerika versuchen wollten, ein Vorspiel zu ihrem künftigen Geschick. – Was mich betraf, so war es mir stets am Angenehmsten, wenn ich jeden Contact mit der lärmenden Rotte vermeiden konnte, und auch heute wäre ich, ohne einzutreten, an der Thür des Saales vorübergegangen, hätte mich nicht ein plötzliches Geschrei, mit lauten Schimpfworten untermischt, aufmerksam gemacht und zum Stillstehen veranlaßt. Ich lauschte einige Augenblicke und glaubte, zu meinem größten Erstaunen, in dem Gewirr Fabian’s Stimme zu erkennen.
    Was konnte er an diesem Ort wollen? Gedachte er vielleicht seinen Feind aufzusuchen? Brach hier die so lange vermiedene Katastrophe los?
    Ich stieß eilig die Thür auf und bemerkte sofort, daß der Tumult auf seinem Höhepunkt angelangt war. Fabian stand mitten in einem Kreise von Spielern Drake gegenüber und bot ihm die Stirn. Wahrscheinlich hatte sein Feind ihn soeben gröblich beleidigt, denn er erhob seine Hand und hätte sie zweiflellos auf Drake’s Wange niederfallen lassen, wäre nicht in diesem Augenblick Corsican dazwischengesprungen und hätte ihn mit rascher Bewegung zurückgehalten.
    Aber Fabian wandte sich nach seinem Gegner um und rief mit kalter, höhnender Stimme:
    »Nehmen Sie diese Ohrfeige als genossen an?
    – Ja wohl, schrie Drake, und hier ist meine Karte!«
    So hatte das Verhängniß trotz unserer angestrengtesten Bemühungen die beiden Todfeinde einander gegenüber geführt. Jetzt mußten wir die Dinge ihren Lauf gehen lassen, es war Nichts mehr zu ändern. Hauptmann Corsican warf mir einen raschen Blick zu, und es überraschte mich, in seinen Augen so viel mehr den Ausdruck tiefer Traurigkeit als den der Aufgeregtheit zu finden.
    Fabian hatte inzwischen Drake’s Karte, die dieser auf den Tisch geworfen, zur Hand genommen; er faßte sie mit den Fingerspitzen, wie einen Gegenstand, den man nur mit höchstem Widerwillen berührt. Corsican war leichenblaß geworden, und ich hörte, wie mein Herz in lauten Schlägen pochte. Jetzt sah Fabian die Karte an und las den Namen – ein Wuthschrei entrang sich seiner Brust:
    »Harry Drake! rief er, Sie! Sie! Sie!
    – Der bin ich«, erwiderte ruhig der Nebenbuhler Fabian’s.
    Wir hatten uns nicht getäuscht; wenn Fabian auch bisher nicht Drake’s Namen gekannt hatte, so war doch dieser von Fabian’s Anwesenheit auf dem Great-Eastern vollkommen unterrichtet gewesen.
Siebenundzwanzigstes Capitel.
Unterredung mit Hauptmann Corsican. – Fabian’s Verzweiflung.
    Am andern Morgen eilte ich, Hauptmann Corsican

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