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Eine schwimmende Stadt

Eine schwimmende Stadt

Titel: Eine schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Steamer der Transatlantischen Gesellschaft, der den Passagierdienst zwischen Havre und New-York versieht. Er mußte jedoch mehr nördlich gegangen sein, da man ihn nicht signalisirte.
    Gegen halb acht Uhr brach die Dunkelheit herein; der Mond, heute eine schmale goldene Sichel, löste sich gleichsam von den Strahlen der untergehenden Sonne ab und schwebte über dem Horizont. Eine religiöse Andacht, die Kapitän Anderson im großen Saale hielt, endete erst gegen neun Uhr, und die getragenen Melodien des Kirchengesangs, von dem sie ab und zu unterbrochen wurde, klangen halb verloren zu mir hinüber.
    Der Tag war vorbeigegangen, ohne daß weder Hauptmann Corsican noch ich den Besuch der erwarteten Zeugen von Harry Drake erhalten hatten.
Neunundzwanzigstes Capitel.
Die Zeugen Harry Drake’s.
    Mit dem folgenden Morgen brach der 8. April und ein herrlicher Tag an, die Sonne strahlte gleich von ihrem Aufgange prächtig hernieder.
    Auf dem Verdeck sah ich den Doctor, der sich behaglich sonnte, und, so wie er mich sah, zu mir herankam.
    »Nun, unser armer Patient ist todt, begann er; in dieser Nacht gestorben. Der Schiffsarzt bürgte für ihn, und der wußte natürlich seinen Zustand am Besten zu beurtheilen! Ja, die Aerzte! die wissen Alles, das kennt man! Dies ist nun die vierte Leiche, seit wir Liverpool verlassen haben, der vierte Reisegefährte, der unter die Passiva des Great-Eastern zu stellen ist, und unsere Fahrt hat noch nicht ihr Ende erreicht!
    – Der arme Mann! was wird aus seiner Frau und seinen kleinen Kindern werden? rief ich. So traurig umzukommen, wo wir die amerikanische Küste fast schon in Sicht hatten, so nahe am Hafen!
    – Das ist nun einmal nicht anders, mein lieber Herr, philosophirte melancholisch der Doctor. Wir müssen uns unter das Gesetz beugen und sterben, damit die nach uns kommen Raum haben. Meine Ansicht ist, daß man nur deshalb stirbt, um einem Andern, der Anspruch auf unsere Stelle hat, Platz zu machen. Wissen Sie, wie viel Leute gestorben sein werden, wenn ich sechzig Jahre gelebt habe?
    – Keine Ahnung, Herr Doctor.
    Die Rechnung ist sehr einfach; wenn ich sechzig Jahre lebe, habe ich 21,900 Tage, gleich 525,600 Stunden, gleich 31,536,000 Minuten, endlich gleich 1,882,160,000 Secunden gelebt, in runder Summe 2,000,000,000 Secunden. Nun werden aber in dieser Zeit genau 2,000,000,000 Individuen, die ihren Nachkommen im Wege waren, gestorben sein, und wenn die Zeit kommt, wo ich im Wege stehe, werde auch ich das Feld räumen müssen. Man kann eben nur wünschen, so spät wie irgend möglich im Wege zu stehen.«
    Der Doctor gefiel sich noch einige Zeit darin, nachzuweisen, daß wir Alle sterblich sind, was schließlich nicht besonders schwierig war. Ich fand in seinen Expectorationen nichts, was ich bestreiten konnte, und ließ ihn reden.
    Während wir so, plaudernd und zuhörend, auf-und abgingen, sah ich Zimmerleute an Bord damit beschäftigt, die Schilder zu repariren, die am Vorderdeck von der doppelten Sturzwelle eingestoßen waren. Wollte Kapitän Anderson nicht in New-York mit Havarie einziehen, so mußten die Handwerker eilen, denn der Great-Eastern flog mit einer Schnelligkeit auf diesen ruhigen Gewässern dahin, wie noch nie zuvor. Am deutlichsten nahm ich diese Thatsache an der Fröhlichkeit unseres jungen Pärchens wahr, das jetzt, wenn es am Geländer lehnte, nicht mehr die Radumdrehungen zu zählen versuchte. Die langen Pleuelstangen entwickelten sich mit reißender Schnelligkeit, und die kolossalen Cylinder, die auf ihren Zapfen oscillirten, glichen einem Geläut von Glocken, die mit der größten Schnelligkeit in Bewegung gesetzt werden. Die Räder lieferten jetzt elf Umdrehungen per Minute, und wir bewegten uns mit einer Vehemenz von dreizehn Meilen pro Stunde von der Stelle.
    Um zwölf Uhr wurde heute von den Officieren nicht das Besteck gemacht; sie konnten ihre Lage nach Schätzung erkennen; das Land mußte in Kurzem signalisirt werden.
    Als ich nach dem Lunch spazieren ging, kam Hauptmann Corsican zu mir heran, und ich sah sofort an seiner sorgenvollen Miene, daß er mir Etwas mitzutheilen habe.
    »Fabian hat die Zeugen Drake’s empfangen und mich ersucht, sein Secundant zu sein. Auch Sie läßt er durch mich bitten, ihm in dieser Angelegenheit gütigst zur Seite stehen zu wollen. Wir dürfen doch auf Sie rechnen?
    – Ja, Hauptmann. So ist also jede Hoffnung, diese unselige Begegnung hinaus zu schieben oder zu verhindern, geschwunden?
    – Es ist nicht mehr daran

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