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Eine schwimmende Stadt

Eine schwimmende Stadt

Titel: Eine schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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glaubte nicht anders, als daß Fabian mitten auf der Brust getroffen sei; aber er war zurückgewichen und hatte, indem er einen zu niedrig geführten Stoß mit einer Quinte parirte, Harrys Degen mit einem Prellstoß getroffen. Dieser stand wieder auf, indem er sich mit einem raschen Halbkreis deckte, während gerade über uns die Wolken von flammenden Blitzen zerrissen wurden.
    Fabian hatte jetzt gute Gelegenheit, einen Gegenstoß zu führen; aber nein! er wartete und ließ seinem Gegner Zeit, sich wieder zu fassen. Ich muß gestehen, daß diese Hochherzigkeit, mit der ein Subject wie Harry Drake geschont wurde, mir wenig behagte.
    Auf einmal, ohne daß wir uns irgendwie diese merkwürdige Selbstvergessenheit Fabians erklären konnten, ließ er den Degen sinken. War er tödtlich getroffen, ohne daß wir eine Ahnung davon hatten? Alles Blut strömte mir zum Herzen.
    Fabian’s Blick hatte plötzlich ein eigenthümliches Leben angenommen.
    »So vertheidigen Sie sich doch«, brüllte Drake, indem er sich auf seine Kniekehlen stützte, bereit, sich im nächsten Augenblick auf seinen Gegner zu stürzen.
    Ich glaubte, jetzt sei es um meinen entwaffneten Freund geschehen, und Corsican wollte sich soeben zwischen ihn und Drake werfen, um zu verhindern, daß der wehrlose Mann getroffen würde … als auch Harry Drake stutzte und regungslos stehen blieb.
    Ich wandte mich um. Bleich wie eine Todte und mit ausgestreckten Händen kam Ellen auf die Kämpfenden zu: Fabian hatte ihr seine Arme entgegengebreitet, er schien wie bezaubert von ihrer Erscheinung und rührte sich nicht.
    »Du! Du! schrie Harry Drake dem armen Wesen zu; Du hier?«
    Sein Degen mit der funkensprühenden Spitze zitterte hoch erhoben in seiner Hand; man hätte ihn für das Schwert des Erzengels Michael in der Hand des Bösen halten können.
    Plötzlich hüllte ein blendender Blitzstrahl, ein gewaltsames Aufflammen der Atmosphäre das Hintertheil des Schiffes vollständig ein, ich wurde fast umgestoßen und athmete wie halb erstickt – Blitz und Donner waren auf einen Schlag gekommen. Ein schwefliger Geruch entwickelte sich, mit größter Anstrengung gewann ich jedoch meine Besinnung und erhob mich, denn ich war in die Kniee gesunken. Als ich mich umschaute, sah ich, daß Ellen sich an Fabian lehnte, Harry Drake befand sich, wie versteinert, noch immer in derselben Stellung, aber sein Gesicht war schwarz!
    Der Unglückliche hatte mit seiner Degenspitze den Blitz angezogen und war von ihm erschlagen worden!
    Ellen näherte sich mit einem Blick himmlischen Mitleids Harry Drake und legte die Hand auf seine Schulter; diese leichte Berührung schon genügte, um den Körper aus seinem Gleichgewicht zu bringen, er stürzte, eine leblose Masse, zu Boden.
    Während wir schaudernd und entsetzt zurückwichen, beugte sich Ellen über den Leichnam. Das elende Herz hatte aufgehört zu schlagen.
    »Vom Blitz getödtet! rief der Doctor, indem er mich am Arm ergriff, vom Blitz getödtet! Wollen Sie jetzt noch nicht an die Intervention des Donners glauben?«
    Harry Drake war wirklich vom Blitz erschlagen worden, wie Dean Pitferge versicherte; der Schiffsarzt behauptete freilich später, es sei ein Gefäß in der Brust des Unglücklichen gesprungen. Wer von ihnen Beiden Recht hatte, weiß ich nicht, aber so viel stand fest: Wir hatten in Harry Drake nur noch einen Leichnam vor Augen.
Vierunddreißigstes Capitel.
Ankunft in New-York.
    Am folgenden Tage, Dienstag den 9. April, um elf Uhr Morgens, lichtete der Great-Eastern die Anker und machte klar, um in den Hudson einzulaufen, der Lootse manoeuvrirte mit einer unvergleichlichen Sicherheit des Blicks. Das Gewitter war während der Nacht vorübergegangen, die letzten Wolken verschwanden hinter dem Horizont, und das Meer belebte sich unter der Aufschwenkung einer Schoonerflottille, die an der Küste hinstrich.
    Gegen halb zwölf Uhr kam »La Santé« an und erwies sich als ein kleines Dampfboot, das die Sanitätscommission von New-York trug. Es bewegte sich mit einem Balancier, der sich über dem Verdeck hob und senkte, äußerst rasch vorwärts und gab mir einen Begriff von den kleinen amerikanischen Flußdampfern, die uns bald in einer Menge von einigen zwanzig das Geleit gaben; sie alle waren nach ein und demselben System gebaut.
    Binnen Kurzem waren wir auch über das Lightboat, ein schwebendes Feuer, welches das Fahrwasser des Hudson bezeichnet, hinausgekommen, dann wurde die Spitze von Sandy-Hook, einer sandigen Landzunge mit

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